Mittwoch, Mai 08, 2002
Ballerspieler in der ZEIT: Le Klischee de Normalnase
Ich kann mich an eine Formel Eins (die Musiksendung) Folge erinnern, in der Ingolf Lück eine Persiflage auf anonyme Bekenntnisse aller Art vorführte. Man sah nur seinen nach vorne gebeugten Schatten und er begann mit den Worten "Ich war 10 Jahre alt, als ich das erste Mal...Popmusik gehört hab. Eigentlich mochte ich sie gar nicht, aber alle meine Freunde hörten...Popmusik und ich wollte einfach dazugehören...". Er entlarvte die tumbe Angst vor allem, was Eltern nicht verstanden und in dreister Arroganz herumpsychologisierend verteufelten, in dem er dann immer wieder denselben Text nur mit anderen Schlagwörtern fütterte ("Ich war acht, als ich das erste Mal 'Scheiße' sagte...alle meine Freunde sagten 'Scheiße'..." usw.). Nun gibt es einen Artikel in der Zeit, der wohl den Versuch darstellt, die "Laufbahn" eines ganz typischen Computerspielers zu beschreiben. Warum ich dabei sofort an Lücks Sketchreihe denke? Der Artikel beginnt so:
Angefangen habe ich vor zwanzig Jahren. Ich war acht oder neun, weiß nicht mehr genau. Damals gab es den Atari VCS, das war noch kein richtiger Computer, das war eine Heimkonsole, die sah aus wie ein schwarzer Brotkasten mit Kunstholz vorne drauf. Und weil das Ding ja noch am Fernseher im Wohnzimmer angeschlossen wurde, war man immer von den Eltern abhängig.(...)
Nun dachte ich zuerst, au weh, da wird heftigst ein Klischeebild entworfen: Die monotone Sprache mit Minimalwortschatz und Einfachstgrammatik, die aneinandergereihten Schritte, die letztlich nur den Schluß zulassen, es mit einem sozial inkompetenten Loser zu tun zu bekommen, wenn die Geschichte dann im Erwachsenenalter ihr Ende findet. Aber so vorraussehbar ist es dann nicht. Der Mensch, der schließlich zum Ende beschrieben wird ist kein Emotionskrüppel sondern ein stinknormaler Mittdreißiger wie ich und Rollinger ;-), der weder durch "KZ Manager" zum Nazi noch von "Doom" zum Amokläufer gezüchtet wurde und ich muß zugeben, daß ich mich aufs Glatteis habe führen lassen. von Jens Scholz direct link
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