Freitag, Juni 28, 2002
Manga: Wenn der Spiegel nicht über Politik schreibt...
dann verzapft er zuweilen grandiosen Unfug. Daß Spiegel-Autoren bei Themen wie Religion und Jugendkultur aus einer pathologischen Verhaftung in linken Ideologiestrukturen immer wieder mal fünfe Grade sein lassen und mit dreistesten Falschmeldungen und Fehlinformationen arbeiten "müssen", um überhaupt auf Linie bleiben zu können ist sicher nicht zu ändern. Das hat dann wenig mit Journalismus und viel mit unverhohlener Meinungsmache zu tun. Ergebnisse sind Artikel, die versuchen, Gründe gegen eine freie Religionsausübung zu finden oder die Verdammung einer an klassischer Politik (die für den Spiegel offensichtlich die einzig wahre ist) schlicht nicht interessierter Generation zu zelebrieren. Dabei wird die Realität ordentlich durch den Mixer gekurbelt und die Faktenlage passend gemacht.
Aber dafür liest man ja Spiegel, ich würde ja auch nicht die BILD-Zeitung kaufen, wenn ich mich ernsthaft über die aktuelle politische Lage in Nahost informieren will.
Jetzt aber gibt es in der aktuellen Kulturbeilage einen Artikel, bei dem diese Entschuldigung nicht zieht. Was Jörg Böckem und Christoph Dallach in ihrem Elaborat "Manga Chutney" verzapfen ist schlicht ein ohne großen Aufwand und in Bild-Niveau zusammengeschmissener Eyecatcher: Sex, Gewalt, Comics, junge Mädchen, lesbische Küsse: Alles dabei, was den politisch korrekten Spiegel-lesenden Oberlehrer um die fünfzig heimlich geil macht.
Völlig dreist und ungeschickt werden alte Klischees über Comics und frühreife Mädchen bedient und auch ordentlich gelogen: Da wird Sailor Moon als Transportmittel lesbischer Erotik verkauft oder ständig Bezüge auf Erwachsenenmangas mit expliziten Sexdarstellungen ("Tentakel in Schulmädchen versenkt") mit angeblichen Zitaten von jungen weiblichen Comicfans (die aber genau diese Hentai-Mangas sicher nicht lesen) gemischt, die natürlich dadurch in den Ruch geraten, willige Opferphantasien zu entwickeln. Laut lachen mußte ich bei einem angeblichen Zitat des "Manga-Zeichners Asuka Rei", den sich die Autoren in ihrem aufgegeilten Zustand freilich selbst ausgedacht haben. Asuka und Rei sind erstens zwei Personen, zweitens Frauen und drittens keine Mangazeichner sondern Mangazeichnungen. Sie sind zwei der Hauptprotagonistinnen der Mangaserie "Neon Genesis Evangelion". Das ist schon nicht mehr lustig sondern zeigt die Unverfrorenheit, mit der zwei überhebliche Schmierfinken ihren verklemmten Chauvinismus unter die Leute bringen. Daß das Fans und Verlage ärgert ist zwar klar, aber wenn das Prinzip 'Sex sells' Kasse macht braucht man sich darüber ja keine Gedanken machen. von Jens Scholz direct link
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