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Donnerstag, November 21, 2002

Über Bedrohungsszenarien
Politiker und Lobbygruppen erschaffen sie, die Medien verbreiten sie willfährig, um Auflage zu machen: Bedrohungsszenarien. Wozu aber soll das gut sein, die Gesellschaft in einen permanenten Angstzustand zu versetzen, sie ständig über irreale Terrorgefahren und unwirkliche Existenzbedrohungen in einen Zustand der Halbpanik zu versetzen?
Eine Erklärung findet sich in der christlichen Geschichte, in der diese Art der Angstmacherei eine erprobte Methode ist, die Schäfchen in Zaum zu halten und sie davor zu bewahren, auf Ideen und Gedanken zu kommen, die dem Führungsanspruch der Kirchen widersprechen könnten. Ich selbst habe das in vier Jahren katholischen Knabeninternat miterlebt: Da wurden selbst bloße Gedanken über das falsche Thema zur Gefahr fürs Seelenheil erklärt und der Teufel versteckte sich in allem was Spaß machte. Wodurch natürlich ein interessanter Effekt erzielt wurde: Das permanente schlechte Gewissen und der ständige Rechtfertigungszwang verhinderten eine offensive Eigenständigkeit. Dadurch daß man immer in einer Art Selbstzweifel und "hoffentlich-merkts-keiner"-Situation lebt ist man befangen und denkt schon im Vorbeigehen an einem Sexshop daran, daß man da jetzt lieber nicht hinguckt, weils ja gleich auf die Rechnung kommt. Schon Interesse an ideologiefremden oder -feindlichen Inhalten wird somit mit einem moralischen Bann belegt. Das ständige Absichern der moralischen Integrität aus Angst, ob das noch in Ordnung geht ist sozusagen Kontrolle im Pushverfahren: Die Kirche muß nicht kontrollieren sondern das Schäfchen informiert von sich aus über seine Befindlichkeit, die in Zweifelsfällen dann gleich korrigiert werden kann.
Eine zweite Komponente neben dieser Bedrohung durch sich selbst ist der Aufbau ständig neuer externer Gefahrenpotentiale, denen der christliche Mensch ausgeliefert zu sein scheint und die den Eindruck vermitteln, daß jederzeit der plötzlich eintreffende Tod dafür sorgen könnte, daß man seine Sünden nicht rechtzeitig mit guten Taten aufgewogen hat (also besser nicht sündigen).
Genau diese Gefahrenpotentiale sind es, die ich in den derzeitigen Medienberichten täglich wiederfinde: Gefahren, gegen die ich persönlich nichts tun kann, Terroristen, Umweltkatastrophen, sogar mal wieder das Ende der Welt mit der Behauptung, die Sonne machts nur noch vier Jahre. Gefahren, die wie ein Gottesurteil von oben auf mich einbrechen und nichts mit dem zu tun haben, wie ich mich verhalte. Da warnte im Mittelalter (und auch heute noch) die Kirche vor der Macht des Teufels und bietet unter ihrem Dach die Gegenmittel dazu an. Genauso warnt der Innenminister regelmäßig vor neuen Anschlägen und drückt dann die neuesten Überwachungsmethoden durch. Auch hier ist das Ziel also, dem vorher ordentlich durch entsprechende Schreckensberieselung erzeugten "Ängste des besorgten Bürgers Ernst zu nehmen" und auf seine inzwischen geweckten "Wünsche nach Sicherheit zu reagieren". So geschehen im Sommer vor einem Jahr, als eine Initiative gegen rechte Tendenzen im Internet im Vorfeld der Überwachungsnovelle den Eindruck vermittelte, daß wenn wir jetzt nicht aufpassen, bald jede zweite Webseite Nazipropaganda enthalte. Die Novelle ging locker durch alle Instanzen, Kritiker wurden schnell mundtot gemacht mit dem Argument, sie wollen ja wohl nicht im Ernst den Zugang zu Neonazimaterial schützen.
Es sind also in Wirklichkeit Gefahren, die es gar nicht gäbe, wenn sie nicht jemand äußern würde. Oder die es auch dann gäbe, wenn sie niemand äußern würde. Gefahren, die ein gewisses Grundrauschen im Leben sind: So wird es weiterhin Neonazis geben, deren Bekämpfung man zwecks Erhalt der mit ihnen verknüpften Bedrohungsszenarien auch entsprechend unmotiviert angeht. Es gibt aber nun erweiterte Rechte für den Staat zur Überwachung seiner Bürger - egal ob die nun Neonazis sind oder nicht.
Das Ganze ist in Wirklichkeit also ein Spiel, um der dem Menschen immanente Angst vor dem Unbekannten und Unwägbaren Nahrung zu geben. Eigentlich also der Versuch, ein neurotisches Verhalten zu erzeugen. Neurotische Menschen haben nämlich einen großen Vorteil. Sie sind leicht zu steuern, vor allem dann, wenn man die Hoheit über den Auslöser für das neurotische Verhalten in der Hand hat. Eine der sehr problematischen Nebeneffekte übrigens dieser Technik ist, daß man Mehrheiten ihre "Schutzbedüftigkeit" am besten dadurch beibringen kann, indem man Minderheiten findet, die man zur Bedrohung stilisiert. Ob das nun die dämonischen unsichtbaren Diebeshorden aus dem dunklen Osten sind, die durch Rockmusik oder Computerspiele zu potentiellen Amokläufern gedrillten Jugendlichen oder die Bart-und-Turban Bildsprache, die die Medien für islamischen Extremismus einsetzen. Es gibt natürlich wesentlich mehr Bärte und Turbane auf der Welt als islamische Extremisten, aber das Gefühl der Bedrohung wird durch die Verknüpfung eines solchen Bart-Turban Bildes mit extremistischen Anschlägen viel größer, weil wir plötzlich jeden Tag an einem potentiellen Terrorchef vorbeilaufen statt an den islamischen Mitbürgern, die in unserem Umfeld leben. Bedrohungen haftet man also Minderheiten an: Juden, Schwule, Schwarze, Polen, Russen, Satanisten, Counterstrike-Spielern und so weiter und so fort. Für jede neue Bedrohung gibt es eine Gruppe, denen sie angehängt werden kann, da nur durch die tägliche Begegnung diese Bedrohung als real enpfunden werden kann. Rassismus, Chauvinismus und Xenophobie sind das gewünschte Ergebnis und perfiderweise hat man bei rassistischen Gedanken dann auch noch gleich ein schlechtes Gewissen dazu, weil man ja eigentlich nichts gegen Schwarze hat, aber sie verkaufen nunmal alle Dope im Park und machen unsere Kinder drogensüchtig.
Wie sehr ein Staat von dieser christlichen Technik lernen kann sieht man vorbildlich am Beispiel der USA.
Dazu ein dringender Filmtip: Bowling for Columbine handelt unter anderem auch davon, wie irrationale Angst, Gewalt, Rassismus und Konsum zusammenhängen. Wobei man freilich auch hier wie immer den Trend übernimmt.
Ich möchte das einfach mal erwähnt haben. Nicht daß hinterher wieder alle sagen, das hat keiner gewußt.
von Jens Scholz   direct link     
 
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