Sonntag, Dezember 15, 2002
War das ein Fehler?
Ich bin 34 Jahre alt und habe einen richtig guten Job, der mich mit ein paar netten Privilegien wie günstiges Fliegen, einem ordentlichen Verdienst und viel Abwechslung versorgt. Vor zehn Jahren hatte ich noch keine Ahnung, was ich werden wollte, wie ich zu irgendwas wie einem Beruf kommen sollte. Ich studierte zu dieser Zeit stattdessen einen Haufen Sprachen und Schriften des vorderen Orients und es sah so aus, als ob ich die Uni eigentlich nicht wieder verlassen müsste, so viel gab es da zu lernen. Vor acht Jahren, Joshua war ein Jahr alt, war ich davon überzeugt, ich mach so ein paar Jobs - halte Internetkurse, bastel Homepages - und passe auf die Kinder auf, während meine Frau arbeitet, sie hatte nämlich grade ihr Studium fertig und begann ihr praktisches Jahr.
Ich stelle mir manchmal vor, was gewesen wäre, wenn es tatsächlich so weitergegangen wäre und ich nicht zufällig in die Internetbranche reingerutscht wäre. Wenn ich nicht zu Zeiten, in denen es noch jahrelang keine Studienabgänger (es gab ja nicht mal die Studiengänge) als Konkurrenz gab, schon Berufserfahrung sammelt hätte, die mich heute zu einem hochqualifizierten Spezialisten macht. Wenn ich wirklich Hausmann geworden wäre, in Heidelberg in der Semitistik ein wenig gejobbt hätte, als Assi oder HiWi vielleicht?
Könnte es sein, dass mich das erfüllt hätte? Womöglich. Wahrscheinlich. Sicher!
War es dann ein Fehler, dass sich stattdessen plötzlich alle nach mir richten mussten? Ich habe damals oft hören müssen, dass ich mit meinem Hobby Geld verdiene und habe dabei oft Neid herausgehört. Aber es war nie mein Hobby. Es war und es ist ein Job, er nervt manchmal wie wohl jeder andere Job auch. Meinen Hobbies gehe ich nach wie vor zu Hause nach, auch wenn ich nun zu Hause und im Job dabei am Bildschirm sitze, aber "am Bildschirm sitzen" ist ja nicht, was mir an meinem Hobby rund um den Computer gefällt, verdammt.
Ich schweife ab. Ich will eigentlich erklären, dass ich mir nicht mehr sicher bin, ob mein glückliches Händchen beim Ergreifen von Chancen nicht eventuell genau das falsche ergirffen hat. Ich frage mich, ob ich nicht heute zu Hause sitzen würde, schon drei Bücher veröffentlicht hätte (einen Roman, ein Lexikon mit mythologischem Thema und ein Fachbuch über irgendwas aus der Semitistik), Musik machen würde, Bilder malen würde und viel mehr Geduld für meine Kinder hätte. Ich frage mich, ob wir nicht alle glücklicher wären. Ich verspüre eine gewisse, leichte Panik dabei. Ich ertappe mich bei dem Gedanken, dass das womöglich für alle das Beste gewesen wäre. von Jens Scholz direct link
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