Dienstag, November 04, 2003
Der Geek in mir
So wie sich Don fragt, ob er ein Autist ist und meint, er stünde wohl in ständiger Gefahr, einer zu werden, frage ich mich, ob ich wohl ein Geek sein könnte. Diese Beschreibung nährt meinen Verdacht, und leider nicht gerade wenig:(...)er sei, so die Klischees, ein Gerät, das Kaffee in Behauptungen umwandelt und erst Notiz von dir nimmt, wenn du es direkt ansprichst, ein unförmiges, ohne Sehhilfe so gut wie blindes Wesen, das vermurkste CD-Rohlinge als Untersetzer benutzt, nicht schläft, sondern einen Energiesparmodus hat, sich zweidimensional ernährt, weil man kalte Pizza und Käsescheiben unter der Tür durchschieben kann, und eine große Nonchalance gegenüber jeder Form von Körperpflege walten lässt - dies alles mache den Nerd aus und zudem sei er noch ein high functioning Autist(...) Mein Kaffeekonsum ist tatsächlich enorm, wenn ich nicht bewusst drauf Acht gebe, meine Sehstärke und Nachtsichtfähigkeiten dagegen die eines Maulwurfs im Tageslicht. Dann dachte ich "Ha! Kalte Pizza ess' ich nicht!" und mir fiel gleich darauf ein, dass ich letzte Woche tatsächlich zu faul war, einen Pizzarest vom Bringservice aufzuwärmen und ihn vor dem offenen Kühlschrank sitzend kalt verspeist habe. Andererseits bin ich doch etwas eitler als die hier beschriebene Spezies und wenn ich nicht regelmässig dusche und bade (was ich ohnehin gerne tue, weil ich dabei lese, bis das Wasser kalt ist) fühle ich mich ganz schnell sehr unwohl. Ausserdem achte ich doch etwas genauer auf meine Garderobe und hasse Turnschuhe. Allerdings benutze ich tatsächlich kaputte CDs (oder gerne auch mal AOL-CDs) als Kaffeeuntersetzer, gehe gegen ein Uhr Nachts aus reinen Vernunftsgründen ins Bett. Ich verliere Menschen aus den Augen, wenn ich sie eine Weile nicht sehe (was ich allerdings auf andere Faktoren meines Lebens schieben kann) und, was mich auch beunruhigt, ich verstehe den weiteren Text des obigen Artikels problemlos und finde die dort beschriebene "Geek-Diät" völlig schlüssig, auch wenn ich sie nicht brauche, weil ich ohnehin ständig essen muss um mein Gewicht mit Mühe halten zu können. Ich denke also, in mir lebt tatsächlich so ein Geek. Ich könnte wohl durchaus diesem Profil nachgeben und ihn rauslassen. Ich könnte Sozialkontakte virtuell übers Netz laufen lassen und das wahrscheinlich völlig ausreichend finden. Ich kann ganz prima alleine sein, ohne dass mir dabei was fehlt. Ich glaube auch, dass wenn ich dem nachgeben würde, alles viel einfacher sein würde, fast wie im Zen der Rückzug in die eigene Einfachheit. Ich will das aber alles nicht. Manchmal weiss ich aber nicht, was mich davon abhält. Dann fang ich an, dort rein zu schlittern. Zum Glück habe ich Freunde, die das bemerken und dann bin ich immer sehr froh, wenn mich einer in ne Kneipe abschleppt: Denn echtes Leben zu spüren und mitzubekommen ist wesentlich energiereichere Nahrung für den Körper und die Seele als jede meiner geliebten Geekaktivitäten.
von Jens Scholz direct link
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.. jens scholz ..personal news in undefinierter dringlichkeit, wichtigkeit oder thematik .. ein subjektives log als experiment, wie lange dinge, die wichtig erscheinen, es in wirklichkeit bleiben ..
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