Samstag, November 13, 2004
Arafat
Ich überlege seit Tagen, was ich dazu schreiben könnte, denn natürlich ist Yassir Arafat, der ägyptische Palästinenser, eine dieser Figuren, die für meine Generation eigentlich immer irgendwie existiert haben. Erst als Extremist und Terrorist, dann langsam in eine sehr erfreuliche Politikerrolle wachsend, in der er zu Recht auch einen Friedensnobelpreis erhalten hat, und schließlich als patriarchalischer Kleinkönig über ein Volk, das nicht zur Ruhe kam im internen Kampf mit wiederum fanatischen Extremisten, die wie er am Beginn seiner "Karriere" den Sinn des Daseins im Kampf gegen den Feind sehen und nicht im Aufbau des Eigenen. Letzteres, der Aufbau des Eigenen, ist der Part, den er am Ende verpasst hatte. Die Möglichkeit dazu war da, aber da er die Provokation der israelischen Rechten annahm, die das merkten und diesen Prozess, der ja tatsächlich zu zwei Ländern geführt hätte, stoppen wollten, hat er die Chance vertan. Ich glaube nicht, daß das Dummheit war oder das hart veruteilen kann. Ich denke, dazu muß man in der Situation gesteckt haben. De facto aber war es Arafats größter Fehler, daß er den Aufbau des palästinensischen Staates am Ende nicht durchführte, als er es hätte tun können. Er mußte doch gewußt haben, daß das erzkonservative Israel nur ein schwaches, ungebildetes, infrastukturell und wirtschaftlich abhängiges bzw. schlicht armes Palästina zulassen konnte. Das wäre daher der Kampf gewesen, den er hätte aufnehmen müssen. Er tat es aber nicht, sondern akzeptierte die Spielregeln der Extremisten beider Seiten. Warum, weiß ich nicht. Vielleicht war seine Machtposition zu wackelig, aber er hätte sich eigentlich, wenn man die Bilder der letzten Tage gesehen hat, auf den Rückhalt in "seinem" Volk verlassen können, von dem er sich wohl wesentlich weiter entfernt hatte, als dieses wußte. Ich habe den Mann jedenfalls für einiges bewundert, für einiges andere hätte ich ihn schütteln können. Vielleicht ist dies meine Einschätzung, die ich stehen lassen kann: Seine Stärke war es, Motor von großen Veränderungen zu sein. Aber alles, was danach wichtig zu tun gewesen wäre, also die stabile, gesunde Gesellschaft zu etablieren, die durch diese von ihm erreichten Veränderungen möglich gewesen wäre, das konnte er nicht. Das Dilemma eines Freiheitskämpfers vielleicht. Als er endlich diese gewisse Freiheit erkämpft hatte, noch dazu mit friedlichen Mitteln, in der man nun die Strategie hätte wechseln müssen, um den Status Quo zu sichern, konnte er das nicht. Was nicht schlimm gewesen wäre. Schlimm war aber, daß er nicht abgab an Leute die es gekonnt hätten. Nun ist er tot und da er kein System etablierte, das jetzt einzugreifen imstande ist, um wenigstens jetzt die notwendigen Schritte zu tun, die dem Land und dem Volk nützen, wird seine Nachfolge vermutlich auch keine neuen Impulse ausgeben. Es werden weiterhin die "Freiheitskämpfer" sein, die das Sagen haben und die ihre Macht weiterhin damit begründen, ihrem Volk zu erklären, daß sie nicht frei sind.
von Jens Scholz direct link
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.. jens scholz ..personal news in undefinierter dringlichkeit, wichtigkeit oder thematik .. ein subjektives log als experiment, wie lange dinge, die wichtig erscheinen, es in wirklichkeit bleiben ..
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