Montag, Januar 17, 2005
Wandel der Zeit
Ich kann mich noch erinnern, daß ich mich als Kind immer gewundert habe, daß in den Nachrichten grundsätzlich von einem "mutmaßlichen Täter" gesprochen wurde, obwohl eigentlich hundertprozentig klar war, daß ers gewesen ist. Dann lernte ich irgendwann, daß das daran liegt, daß solange ein Mensch nicht von einem Gericht als Täter verurteilt ist, er auch nicht "Täter" genannt werden darf. Was mir einleuchtete. Die Polizei ist kein Gericht und die Medien sind keine Gerichte, also haben sie auch nicht zu entscheiden, ob jemand z.B. ein Mörder ist oder nicht und daher müssen sie, wenn sie vor der gültigen Entscheidung des Gerichtes von jemandem berichten, das nunmal auch so kennzeichnen, damit klar ist, daß es noch kein Urteil gibt.
Nun habe ich gestern eine seltsame Entdeckung gemacht: Anscheinend ist diese Regelung nicht mehr notwendig, denn der "mutmaßliche Täter" ist inzwischen oft einfach nur noch "der Täter", auch nicht selten gar "der Mörder" (also die Vorwegnahme des Tatbestands).
Im Fall Moshammer gehen die Medien jetzt einen Schritt weiter, denn der "am Samstag abend festgenommene mutmaßliche Täter, der die Tat gestanden hat" (so hätte man das, denke ich, vor einigen Jahren formuliert) wurde, ob auf n-tv oder n24 und in den Nachrichten der Privastsender gestern ständig mit "der Iraker" referenziert. Prima. Könnte man dann bitte auch zukünftig der Einfachheit halber nur noch "der Deutsche" schreiben, wenn es darum geht, z.B. vom mutmaßlichen Kindermörder zu berichten? von Jens Scholz direct link
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