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Montag, Juni 23, 2003

Antisemitismus II: Polarisierung - die Welt von Gut und Böse
Antisemitismus, wie jede Diskriminierung, hat eine Abgrenzungsfunktion durch die Nutzung von Klischeebildern und soll die so diskriminierte Partei aus der gesellschaftlichen Norm drängen (Das gilt auch für Normen, die nicht allgemeingültig sind: Dämonisiert wird auch in Sub- und Individualkulturen). Das hatte ich vor ein paar Tagen schon erklärt, aber ich möchte ein wenig näher darauf eingehen.
Vorurteile und Diskriminierung zielen auf ein ganz bestimmtes, neurotisch vereinfachtes Weltbild hin: die polare Weltsicht. Ein Denken in polaren Gegensätzen, eine absolute, grundsätzliche Unterscheidung in "uns" und "die" ist immer gefährlich, ich will hier am Beispiel des Antisemitismus zeigen, warum.
Ersteinmal ein sprachwissenschaftlicher Schnellkurs: Die Sprache des Antisemitismus arbeitet seit jeher mit Antonymen, Das sind Wort-Gegenwort-Paare, die eine polare Werttrennung erzeugt und so eine sprachliche Schwarz-Weiss-Sicht zwangsläufig macht, wenn man sie benutzt. Der Antisemitismus benutzt solche Antonyme schon lange. Auch hier sind die Christlichen Schriftsteller historisch führend darin, das Gegensatzpaar Christen und Juden durch Wort-Gegenwort-Paare zu erklären: Georg Nigrinus (1570) schrieb, die Juden würden stets "Gutes mit Bösem, Liebe mit Hass" vergelten, Phillip v. Allendorf verfasste 1606 eine Schmähschrift namens "Der Jüden Badstub", die Charaktereigenschaften entsprechend aufteilte ("Leugt schon der Jüd/ der Christ redt wahr ...) und so weiter. Im 19 Jhd. war diese polare Typisierung nicht mehr nur auf religionsspezifische Charaktereigenschaften beschränkt.
Heinrich Marcard schrieb 1843 in "Die Germanen" (S.40): "Dem jugendlich frischen, graden, jeder Begeisterung und der allgemeinen Menschlichkeit offnen germanischen Stamm konnte das verlebte, verschlossene, kalt berechnende und doch unruhige (...) Wesen des Juden nicht zusagen". Keine hundert Jahre später war die Polarisierung in der Gesellschaft so eindeutig, dass man nicht mehr prosaisch verkleiden musste, was man unterdie Leute bringen wollte. Der Stürmer (Nr. 2, 1937) druckte einfach eine Liste mit Gegensätzen unter der Überschrift "Zweierlei Rassen - Zweierlei Eigenschaften" ab, in der eigentlich ganz allgemeine positive und negative menschliche Charaktereigenschaften zwischen Ariern und Juden aufgeteilt wurden (Genügsamkeit - Profitgier, Sparsamkeit - Protzentum [der Autor gibt sich gar nicht erst die Mühe, zu verscheiern, dass sich diese Paare direkt hintereinander völlig widersprechen - J.], Ehrlichkeit - Betrügerei, Fleiss - Raffsucht, usw..).
Wozu macht man das? Ganz einfach: Es ist die Vorarbeit dafür, dass man irgendwann nicht mehr ständig negative Charaktereigenschaften aufzählen musste, um Juden diffamierend zu beschreiben, sondern man konnte dann den Begriff einfach durch das Wort ersetzen, dass die Auszugrenzende Gruppierung beschrieb. Es gab dann das Judengehirn, die Judengeschäfte, den Judenarzt usw. Die Gegengruppe war ab diesem Zeitpunkt sprachlich und gesellschaftlich abgespalten: Es gab den Menschen und den Unmenschen. Den Deutschen und den Juden. Diese polare Weltaufteilung ist, da sie eigentlich auf eine künstliche Trennung von völlig allgemeinen und weder mit Religions- und Landeszugehörigkeit zu verbindenden normalen menschlichen Eigenschaften aufbaute, natürlich absolut unsinnig, aber sie bot den Menschen leider etwas, was sie gerade in Krisenzeiten gerne haben: Eine einfache Welt, unterteilt in uns als Gute und die als Böse.
Kein Wunder, dass Antonyme auch heutzutage wieder stark - zu allem Übel auch noch vor allem in der Mediensprache - vertreten sind, so dass die Bereitschaft, das entsprechende Denkschema unbemerkt aufzugreifen, gefährlich gewachsen ist. Man hört ja oft die Argumentation, die Welt sei "so kompliziert" geworden, die Moral so wenig greifbar, weil es keine klaren Werte mehr gebe. Vereinfachungen werden daher gerne angenommen und sie werden gerne benutzt. Sobald dies aber zur Diffamierung passiert, wie momentan von allen politischen Lagern(!) vehement die Faulenzer und "Sozialschmarotzer" gegen die Steuerzahler und "arbeitende Bevölkerung" unterschieden werden, muss man aufpassen: Hier soll ich manipuliert werden und in ein polares Weltbild gedrängt werden.
Wichtig! Polare Weltbilder beinhalten nicht zwei gegensätzliche Meinungen, sondern nur eine, die Richtige! Die beiden Pole stehen sich nicht gegenüber, sondern untereinander. Es geht um Wert und Unwert, Wahr und Falsch. Polare Weltbilder haben nämlich nur einen Sinn: Sie sollen eine Bedrohung aufbauen. Der Diskriminierte bedroht mich, ich werde das Opfer seiner geballten negativen Eigenschaften. Der Pole stiehlt mein Auto, der Jude mein Geld und meine Meinung. Der Arbeitslose und der Sozialhilfeempfänger stiehlt meinen Wohlstand, der Streikende meinen Arbeitsplatz. Wer in einer polaren Welt lebt, der lebt in einem ständigen Kampf gegen das Böse - und gegen das Böse ist nun mal jedes Mittel Recht!
von Jens Scholz   direct link     
 
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