Freitag, August 22, 2003

Schill, der Prototyp des neuen Deutschen?

Ich habe echt lange überlegt, was die Leute in Hamburg nur geritten hat, diesen ekligen, selbstgerechten und völlig bigotten Menschen so toll zu finden, dass sie ihn und seine Partei ins Rathaus gewählt haben. Eigentlich ist es doch völlig offensichtlich, dass dieser Mensch eine Doppelmoral vorlebt wie kein Zweiter. Er möchte am Liebsten Kinder, die z.B. wegen Ladendiebstahl straffällig werden, noch vor ihrer Volljährigkeit fürs ganze Leben vorbestrafen und ihre Eltern gleich mit (wegen Verletzung der Aufsichtspflicht), andererseits schreckt er für den persönlichen Machterhalt nicht vor klaren Erpressungen zurück. Wahrscheinlich glaubt er sogar, dass er dazu auch tatsächlich berechtigt gewesen ist. In Wirklichkeit ist es aber natürlich ein grösseres Verbrechen als einen Lippenstift zu klauen. Also kommt es in seinem Wertesystem offenbar darauf an, wer ein Verbrechen begeht, und nicht, welches Verbrechen begangen wird.
Inzwischen denke ich, sein 'Erfolg' bei seinen Wählern liegt genau da begründet: Man wählte ihn nicht etwa trotz sondern wegen dieser Haltung. Er spiegelt einen grossen Teil der Gesellschaft wie ein Prototyp wider, und die Prozentzahl seiner Wähler dürfte da auch recht gut hinkommen: Es ist der Teil der Gesellschaft, der der Meinung ist, die Proleten in Deutschland sollten mal schön in ihren Plattenbauten bleiben, und den Erfolgreichen nicht die Fussgängerzonen durch ihre Anwesenheit verschandeln. Zu solchen Ansichten fühlen sie sich denn auch gleich noch völlig berechtigt, da sie ja die 'Leistungsklasse' darstellen, die es zu was gebracht hat, und im Gegensatz zu deisen Proletenschmarotzern (die meisten wahrscheinlich Ausländer), die ja nur auf deren Kosten Sozial- und Arbeitslosenhilfe abgreifen.
Das deckt sich auch mit dem momentanen Trend bei Unternehmen, ihre Belegschaft als lästige Geldsauger zu betrachten und dem bei Medien, absolute Ausnahmeausreisser, die es geschafft haben, z.B. die Sozialhilfe zu behumsen (Florida-Rolf), als Prototyp des Sozialschmarotzers derart auszuschlachten, dass wohl viele Sozialhilfeempfänger inzwischen lieber nicht erwähnen, dass sie welche bekommen, wer weiss, ob sie nicht irgendwann von empörten 'Leistungsträgern' und bis zur Aufgabe des Solidaritätsgedanken meinungsgeBILDeten Mitbürgern auf dem Marktplatz gesteinigt werden.

von Jens Scholz   direct link