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Mittwoch, Oktober 13, 2004

"Geht es der Union schlecht, ist der Türke fällig"
Wo ich grad den lesenswerten Artikel im Mehrzweckbeutel (und die ebenso lesenswerten Kommentare) lese:
Das fängt damit an, dass zu dem jetzigen Zeitpunkt eine solche Abstimmung überhaupt nicht anliegt. Das Für und Wider ist dem Wahlvolk kaum bekannt.(...)
Worum es der CDU geht ist ja eine kategorische Ablehnung eines EU-Beitritts der Türkei. Ich frage mich nur, warum sie das will. Denn das ist etwas, was sie für z.B. Polen nicht ablehnte, also kann es nicht die Angst davor sein, daß ein Land sich auf diesem Wege saniert, daß das erfolgreich geschehen kann und für die gesamte EU ein Gewinn ist, zeigen auch die Beispiele Portugal und Irland.
Ist es dann die Sorge um die Einhaltung der Menschenrechte? Kann ja auch nicht sein, denn ich kann mir nichts vorstellen, was die Menschenrechtssituation in der Türkei schneller verbessern könnte, als ein EU-Beitritt.
Ist es die Angst vor islamistischem Terror? Wenn ja, scheint die CDU extrem mies über sowohl die türkische Geschichte (die Türkei ist einer der ersten Staaten auf der Welt, in dem die Trennung von Staat und Religion wirklich umfassend umgesetzt wurde) als auch den dortigen Umgang mit Islamisten informiert zu sein.
Ist es die Angst, daß die Wirtschaft unter einem Anschluß der Türkei leidet? Auch nicht, die Wirtschaft reagierte irritiert auf die Ankündigung dieser "Befragung".
Ist es einfach nur dumpfe Stimmungsmache? Tja. Scheint so, irgendwie spricht alles dafür: Es gibt keine reale Bedrohung und man macht sich auch gar nicht erst die Mühe, tatsächlich nachvollziehbare Begründungen zu finden sondern propapiert einfach nur die grundsätzliche Ablehnung. Das perfide an dieser Posse ist natürlich, daß die CDU mit voller Absicht auf Kosten der türkischstämmigen Mitbürger in Deutschland von ihrer Planlosigkeit ablenken will.
Wer die Angst davor schüren will, daß die Regierung alle Türken schnellstmöglich nach Deutschland übersiedeln lassen möchte, ist normalerweise bisher immer zu Recht dort, wo es so bräunlich stinkt, identifiziert worden. Daß nun die angebliche Volksparteien CDU und CSU derart schamlos in die Trickkiste von rechtsextremen Nationalisten greifen, ist nach der erfolgreichen schwarzgeldfinanzierten Ausländerhass-Umfrage von Roland Koch, den ärgerlichen Versuchen letztes Jahr, den Antisemiten Hohmann zu schützen, Leuten wie Beckstein, Glos oder Söder, die meines Erachtens vor ein paar Jahrzehnten so richtig gute Karrieremöglichkeiten gehabt hätten, leider gar nicht verwunderlich.
Ich schließe mich daher dem Schlußwort von Richard Gleim an:
Man sollte sich die Leute merken, die so was inszenieren.
Man sollte allerdings nicht, man muß. Und mehr lesen kann man auch: Bei Düsenschrieb oder im BesimBlog.
von Jens Scholz   direct link     
 
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