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Samstag, April 29, 2006

Sheila
hat mich ordentlich verarscht. Ein wenig mit Ansage, denn ich dachte es mir eigentlich schon, als sie mich ansprach und fragte, ob ich wüßte wie sie zum Flughafen komme, wo ihr Gepäck hoffentlich heute angekommen sei, nachdem es gestern...naja, es war eine jener Story eben, die mich mit dem Wissen um ähnliche Geschichten im Hinterkopf vorsichtig sein ließen. Klar konnte es sein, daß es eine Masche war, sich etwas Geld zu erschwindeln. Andererseits konnte es auch sein, daß ich ihr aus der Patsche helfe, wenn ich ihr Zehn Euro in die Hand drücke.
Ich wollte es wissen und sie bekam knappe zehn Euro von mir, die sie mir am kommenden Tag wiedergeben wollte. Ich verabschiedete mich von ihr und inshgeheim auch von meinem Geld, aber da war sie tatsächlich am nächsten Morgen, zum verabredeten Zeitpunkt, zu dem wir uns zum Frühstück treffen wollten. Sie hatte mir zwar sogar das Geld gegeben, aber dafür schon wieder ein Problem, diesmal mit dem Hotel und der Bank. Auch hier gab es wieder eine recht glaubhafte Geschichte, die durchaus so sein konnte, die aber genausogut gelogen sein könnte.
Also machten wir uns auf den Weg zu ihrem Hotel, aus dem sie ausziehen wollte, wofür sie 30 Euro brauchte, damit sie ihren Pass wiederbekam, ohne den sie nicht an ihr Auslandskonto kam. Denn sie sei eine südafrikanische Studentin, die sehr kurzfristig die Möglichkeit bekam, zu einem Seminar hier nach Lissabon zu kommen - was leider zu einigem organisatorischem Chaos führte, in dem sie sich gerade befand. Alles sehr glaubhaft und mit vielen Details über Seminar, Profs und Unibetrieb.
Natürlich gab es ein Hotel und natürlich gingen wir rein und sie bekam von mir siebenunddreißig Euro für die Bezahlung des Zimmers und die Auslösung des Passes, mit dem wir dann sofort zur Bank weiterspazieren wollten, damit sie mir diese wiedergeben konnte. Und natürlich wars gelogen, der Trick war, daß das Hotel zwei Eingänge hatte und sie über alle Berge war, bis ich das bemerkte.
Dreißig Euro Einsatz dafür, festzustellen, ob eine im übrigen wirklich smarte und hübsche Frau tatsächlich Hilfe brauchte oder nicht, bereiteten mir keine Kopfschmerzen, die Gefahr war mir bewusst. Daher spazierte ich erstmal über mich selbst grinsend ins nächste Straßencafe und ging dazu über, meinen weiteren Tag zu planen.
Am nächsten Morgen kam ich wieder an Sheilas Hotel vorbei, denn es lag auf dem Weg in den Stadtteil, den ich mir heute anschauen wollte und tatsächlich stand Sheila ein paar Meter weiter im Gespräch mit einer älteren Frau, die ein Schaufenster putze. Sie erschrak natürlich und rannte wohl nur wegen der anderen Frau nicht sofort los, so hatte ich die Gelegenheit, ihr zu sagen "Hey, don't worry. You can keep the money, i don't mind. But i'd like to have a coffee with you." Oder so ähnlich. Jedenfalls ging sie drauf ein und wir setzten uns in das selbe Straßencafe, in dem ich tags zuvor schon saß, nachdem sie mit meinem Geld abgehauen war.
Ob die Geschichte, die sie mir dabei erzählte, wahr ist, weiß ich genauso wenig. Sie könnte es sein und ich mag ihr einfach glauben. Jedenfalls fragte ich sie natürlich, wie es komme, daß sie, als offensichtlich doch recht intelligente und selbstbewusste Frau, einen derartigen Aufwand betreibe, um an ein paar Kröten ranzukommen. Sie erklärte mir, daß sie keinen Abschluss habe und die Arbeitslosigkeit gerade für Ungelernte in Portugal wohl immens ist. Dann sei ja sichtbar, daß ein Elternteil dunkelhäutig sei, was sie in Lissabon für repräsentablere Aufgaben ausschließe und sie sei inzwischen auch zu alt zum Kellnern, was sie vorher gemacht habe - die Cafes und Kneipen wollen jüngere und hübschere Mädchen, von denen es auch viele gäbe.
Irgendwann war sie eben "out of everything", rausgefallen, abgestürzt. Und sie hatte es erst gemerkt, als sie nirgends mehr Arbeit fand, die Miete nicht mehr zahlen konnte, es mit den falschen Leuten zu tun bekam und herausfand, daß wenn man gar nichts mehr hatte die Hyänen kommen. "There is no thing like 'nothing to lose anymore'" meinte sie. Und erzählte, daß wenn man erstmal begonnen hatte, ums tägliche Überleben zu kämpfen, moralische Bedenken keine Rolle mehr spielte. Denn gerade wenn man auf Hilfe angewiesen ist, wird man eher noch mehr übers Ohr gehauen und die Bredouille, in der man versinkt, wird einfach täglich größer.
Sie weiß genau, daß sie im Prinzip genau die austrickst, die noch bereit sind, anderen zu helfen. Aber sie sagte auch, daß sie es sich nicht leisten kann, darüber nachzudenken. Auch diese Masche, ihr Alter Ego als südafrikanische Studentin, sei einfach gewachsen, nämlich als sie erkannte, daß sie mit Touristen ins Gespräch kam, wenn sie sich eben als Studentin oder auch als Traveller ausgab. Dann wurde sie auch mal eingeladen und es entwickeltensich eben diese Stories vom fehlenden Taxi- oder Hotelgeld, die sie aus aus den Gesprächen mit anderen Reisenden übernahm. Die Leute seien sehr freigebig, weil sie sich freuten, jemanden kennenzulernen, weil sie im Urlaub einfach nicht wollten, daß andere Schwierigkeiten haben oder weil für die ihre "Probleme" mit ein paar Euro, die sie ohnehin in der Tasche haben, ganz einfach zu lösen sind.
Was sie als nächstes tue weiß sie nicht. Sie weiß, daß sie irgendwann erwischt würde, "see, you found me just the other day! That's alarming." und sie grinst etwas schüchtern beim letzten Satz, über den ich aber auch grinsen muss.
Ich erklärte ihr, daß für mich ihre gerade geschilderte Situation wesentlich schwieriger und unlösbarer ist, als die, die sie mir zuvor aufgetischt habe. Insoweit habe ja schon irgendwie das Geld die richtige Person erreicht, für das ich vielleicht irgendwelche Fado-CDs gekauft hätte, die ich mir zu Hause nie wieder angehört hätte. Ich gab ihr nochmal zwanzig Euro. Wir verabschiedeten uns mit einer kuzen Umarmung und ich wünschte ihr viel Glück.
Und ich denke seitdem sehr oft über Sheila und die anderen Menschen nach, die aus ihrem Leben rutschen. Und darüber, daß man sich um die Menschen um einen herum kümmern muß. Und darüber, wie unsinnig die meisten Streitereien und Eitelkeiten sind, mit denen man sich viel zu intensiv beschäftigt.
von Jens Scholz   direct link     
 
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