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Dienstag, April 17, 2007

Wovor habt ihr Angst?
Manchmal fühle ich mich echt alt, vor allem wenn sich Dinge wiederholen. Ich bin seit 20 Jahren in Mailboxen und im Internet unterwegs. Ich bin seit knapp 15 Jahren in einem Verein mehr oder weniger aktiv. Ich habe in Newsgroups geschrieben, auf Foren und seit sechs Jahren in mein Weblog, das ich mit dem Kram fülle, von dem ich meine, daß es gut ist, darüber was zu schreiben. Immer wieder in regelmäßigen Abständen gab und gibt es denselben Knatsch in dem Moment, wenn irgendeine Aktivität ein wenig mehr Beachtung findet.
Dieser Knatsch erfolgte immer aus verschiedenen, meiner Erfahrung nach völlig ungegründeten, aber (wie ich inzwischen auch verstanden habe) dennoch im Moment des Konfliktes Ernst zu nehmenden Ängste heraus:
1. Eine völlig subjektive Angst, nicht dazuzugehören. Die Angst, daß der Zug ohne einen abfährt. Ein sehr starkes, durchaus egoistisches und dadurch auch noch peinliches Gefühl, das aber völlig real ist, selbst wenn objektiv kein Grund dazu besteht. Es wird von außen gesehen schnell mit Neid verwechselt, das ist aber zu kurz gegriffen.
Momentan schaut man bei dem Blogdings ja nur noch nach Berlin, wenn man nicht über die re:publica geschrieben hat, halbierte sich für eine halbe Woche die Leserzahl.
Das sorgt für Beklemmung und die Angst, abgehängt worden zu sein. Diese Angst gebiert dann die wildesten Anfeindungen, Hass und Häme. Die einfachste Reaktion auf Leute mit diesen Ängsten ist anscheinend, ihnen souverän zu erklären, wie subjektiv und unkonstruktiv sie sind. Habe ich früher so gemacht, weil ich dachte, am wichtigsten ist, den vielen Zuschauern zu zeigen, daß man sachlich und fair bleibt und der andere substanzlos stänkert. Leider stimmt das aber nicht, denn man reagiert auf diese Weise nicht auf den eigentlichen Grund der Anfeindungen. Will man das tun, ist es meiner Ansicht nach besser, die Augenhöhe zu suchen und die Ängste Ernst zu nehmen. Wahrscheinlich ist es selten, daß das im ersten Moment auch anerkannt wird, aber ich habe die Erfahrung machen können, daß wenn man es tut, man sich zu einem späteren Zeitpunkt auch wieder vertragen kann. Will man das nicht, ist es besser, sowas zu ignorieren.
2. Die Angst, instrumentalisiert zu werden. Nicht mehr das tun zu können, was man tun wollte, als man anfing sich z.B. in einem Verein zu engagieren oder eben zu bloggen.
Auch diese Angst sollte man Ernst nehmen. Johnny Häusler sagt ja gerne mal so Sachen wie "Ich verstehe gar nicht, wie Leute darauf kommen, daß nur weil wir die Sachen so machen wie wir sie machen, sie nicht mehr bloggen dürfen sollten, wie sie es wollen." - Ungefähr das ist, was ich selbst sehr oft gesagt habe. Zum Beispiel, als wir 1999 bis 2001 drei kleine Workshopreihen zum Thema "Magie in der modernen Welt" durchgeführt hatten und das Gefühl hatten, uns ständig rechtfertigen zu müssen vor all den Leuten, die meinten, man müsste iegentlich ganz andere Dinge machen und es kämen Themen zu kurz, die viel wichtiger sind. Immer wenn sich adical versucht zu rechfertigen denke ich an diese Zeit ...und die viele in diesen internen Geplänkeln vergeudete Energie. Denn letztendlich ist es doch so: die Macher der re:publica hatten eine Idee und diese Idee haben sie - wie ich meine sehr gut - umgesetzt.
Die Leute, die nun meinen, daß eigentlich andere Ideen umgesetzt gehörten und daß man das alles hätte ganz anders machen müssen, könnten doch nun beruhigt an die Umsetzung ihrer Ziele gehen, denn sie haben ja nun gesehen, daß das geht. So ähnlich habe ich früher schon argumentiert, allerdings habe ich auch hier dazugelernt.
Zum Beispiel, daß es nicht reicht, die anderen nicht zu verstehen, sondern daß man viel gewinnt, wenn man sichs erklären lässt. Zum Beispiel auch, daß Rechtfertigungen nichts nützen. Man muss seine Ziele vertreten. Zum Beispiel das Bekenntnis zum Pluralismus. Johnny sagte ja in Trackback öfter schon "Das Tolle an der Blogosphäre ist ja, daß Platz für alles ist" und man alles sagen, schreiben und veröffentlichen kann, ohne daß ein publizistischer Gatekeeper das filtert. Stimmt, in dem Moment aber, in dem ich im Fokus bin, schmälere ich dieses "alles" aber und habe - auch wenn ich die gar nicht wollte - plötzlich eine Verantwortung für die Erhaltung dieser Bandbreite, die ich ja eigentlich toll finde. Ich werde bedrohlich für andere, dem muss ich mich stellen.
Wenn ich es also schaffe, große Aufmerksamkeit zu erzeugen, dann muss ich dabei souverän bleiben und die Teilaufgabe, die mir andere Blogger übertragen, auch erfüllen. Das klappte m.E. auf der re:publica gut, ich glaube, das beurteilen zu können, weil ich eben nicht dort war und somit sehen konnte, wie sie nach außen wirkte. Die einzige Anmerkung die ich habe bezieht sich auf die Reaktion auf bloggerinterne Kritik. Viele Kritiker wollen eigentlich nicht, daß sich ihr Ziel windet, ausweichend wird und sich rechtfertigt, sondern verlangen eigentlich nur klare Bekenntnisse oder Meinungen (mehr geht ja eh nicht, denn eigentlich ist die ganze Diskussion unnötig: Wer Werben will, tut es, wer nicht, der nicht). Auf Fragen wie "Passen Werbung und Blogs zusammen?" möchten die Frager eine klare Äußerung als Antwort hören. Und zwar eine Meinung. Die können sie dann ihrer eigenen gegenüber stellen. Auf gleicher Augenhöhe.
Was niemand will und niemand braucht ist die Postulation von einem Grundsatz. Auch wenn sich das Thema im ersten Augenblick wie eine Grundsatzdiskussion anhört und versehentlich daher auch als solche geführt wird. Da Blogs ja autark sind, kann es hier ja keinen Grundsatz geben, an den ich mich halten müsste, also geht es um Meinungen. Und da finde ich es nur wichtig, daß die auch alle gehört werden können.
3. Die Angst vor dem Mainstream: Auch die sollten wir meiner Mainung nach nicht so schnell abtun. Klar, rein objektiv ist so ne elitäre Undergroundromantik erstmal was, worüber ich auch schon gespottet habe. Aber die Angst ist real und man kann ihr auch etwas entgegensetzen.
Zum Beispiel: Schaut euch den Brei an, der euch in den Medien vorgesetzt wird. Klar ist das mediokrer, auf den kleinsten gemeinsamen Nenner und damit völlig unspannender Seich. Klar will man nicht zu einem Teil dieser Kultur werden und daher ist es richtig, hier Ängste zu entwickeln, denn diese machen mich aufmerksam und wach. Allerdings muss man konstruktiv bleiben, sonst arbeitet man sich vor lauter Angststarre in eine selbsterfüllende Prophezeihung (die sich z.B. im Kulturpessimismus Ausdruck verschafft).
Denn: Wer hat den das Heft in der Hand im Internet? Die re:publica dürfte die erste Kongressveranstaltung gewesen sein, die zum größten Teil von Bloggern aufgezogen und durchgeführt wurde. Klar, auch dort sind nicht alle Themen für jeden relevant gewesen, aber ich glaube schon, daß man dort als Nicht-Blogger durchaus mitbekommen konnte, wie weit entfernt die klassischen Medien, Agenturen, politische Kräfte und Verteiler im Allgemeinen von der Stell sind, an der wir gerade unterwegs sind. Ich kann auf die Schwarmintelligenz vertrauen, die in der Masse schlauer, kreativer, poetischer, schneller und effektiver ist, als es die alten Verteilungsmechanismen je sein werden. Ich mache mir keine Sorgen mehr darüber, daß man die Blogger instrumentalisiert. Denn die Geschwindigkeit im Netz wird dafür sorgen, daß die Instrumentalisierung so schnell aufgedeckt wird, daß kein nennenswerter Schaden entsteht und die Aufklärung einer Manipulation wird derart umfassend, daß die wichtige Meldung am Ende immer die vom Sieg der Blogs sein wird.
Also: Bitte wettert weiterhin über Werbung in Blogs, macht bitte auch weiter mit adical, fordert und lebt die radikale Trennung von Kunst und Kommerz, werdet reich und berühmt mit euren Comics, euren Geschichten, eurer Musik. Findet die mit anderen Meinungen richtig Scheiße und akzeptiert, wenn euch Leute mit anderen Meinungen Scheiße finden. Habt keine Angst und nehmt eure und die Ängste der anderen Ernst! Und hört nicht auf Leute, die in ihren Blogs schreiben, was ihr machen sollt!

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von Jens Scholz   direct link     
 

Kommentare:

Sehr schöner Eintrag. Danke dafür!
 
Passt ja richtig gut zu meinem "Wieso ich blogge"-Artikel von gestern. Und ich finds wie immer, wenn Sie über's Bloggen bloggen, richtig gut. :-)
Danke!
 
sehr schöner Beitrag!
 
Respekt, für den Mut, auch einmal diese Seite der Hintergründe aufzuzeigen. Zumal in dieser sachlich-differenzierten Art und Weise.

Denn die Geschwindigkeit im Netz wird dafür sorgen, daß die Instrumentalisierung so schnell aufgedeckt wird, [...]
Dieser Satz ist ein sehr wichtiger. In der Diskussion um Werbung in Blogs wird ja immer gesagt: "Dann lies halt den Blog nicht mehr". Das aber würde schlussendlich nur dazu führen, dass die angesprochenen Kontrollmechanismen von außen nicht mehr funktionieren.
 
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.. jens scholz ..

personal news in undefinierter dringlichkeit, wichtigkeit oder thematik .. ein subjektives log als experiment, wie lange dinge, die wichtig erscheinen, es in wirklichkeit bleiben ..


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