Sonntag, August 19, 2007
Bruckner
schaue mir gerade die Reportage über Anton Bruckner an, die auf 3sat läuft. Es gibt einige klassische Komponisten, von denen ich mir gerne das ein oder andere ausgewählte Stück anhöre, aber eigentlich nie alles. Viele haben neben ihren genialen Sachen auch jede Menge langweiliges Zeug geschrieben oder hatten irgendwie verquaste Phasen, in denen Musik entand, die nur anstrengt und dabei jede Menge nimmt aber nichts gibt (zumindest nicht mir).
Bei Bruckner ist das anders. Da kann ich alles hören und auch zu fast jeder Zeit. Bruckners Musik folgt einer eigenen Harmonie. Bei Beethoven oder Mozart kann man jede Auflösung erwarten, man hat sehr oft das Gefühl, die Stücke sind sehr lang, weil man nach drei Tönen schon die nächsten fünf vorrausahnt und nicht selten zwei Takte einfach absitzt, bis man das Gefühl bekommt, daß es dann endlich mal weitergeht.
Man bekommt oftmals ein Exposé wie ein großes Haus hingestellt, das dann mit Details verziert wird. Oder eine Geschichte wird erzählt, die aber schon nach wenigen Wiederholungen schon kennt und die einem daher immer kleiner und begrenzter vorkommt.
Bei Bruckner ist das nicht so. Obwohl seine sehr berechneten Symphonien nie so schnell oder verspielt werden hat er anscheinend einen ganz anderen Ansatz. Sie scheinen Soundtracks zu sein (und wenn man sich Filmmusikkompositionen z.B.von Horner für "Krull" oder "Willow" - in dem allerdings auch ne Menge geklauter Mozart steckt - anhört, weiß man daß diese Assoziation wenig überraschend kommt) für reisen durch mächtige, unüberschaubare Weiten. Keine Moldau, in der einem Flußlauf gefolgt wird, sondern ein majestätischer Flug über das riesige Eismeer am Nordpol. Keine Liebesgeschichte in spanischem Ambiente, sondern mal eben die Erschaffung und der Untergang von Planeten und Milchstraßen werden da vertont. Und da gibts dann auch nichts mehr zu erwarten, der momentane Klang, den er akribisch vor einem auftürmt füllt den Moment völlig aus, das kommt m.E. von seinem Hintergrund als Organist und vielleicht ist da auch der Grund dafür, daß ich so uneingeschränkt begeistert vn ihm bin, denn ich mag es, wenn Musikstücke jeden Fleck im Raum ausfüllt und wenn es ein einzelnes Instrument gibt, das das kann, dann ist das eine Kirchenorgel.
Eeiner der besten Brucknerdirigenten, Dohnanyi hat mal erklärt, daß einem bei Bruckner die Zeit nur so verfliegt. Das liegt meiner Meinung nach genau daran, daß man sich von dieser Musik, die den Raum und den Moment so komplett ausfüllt, einfach mitnehmen und sicher sein kann, daß man nicht ein einziges Mal das Gefühl bekommt, auf irgendetwas warten zu müssen sondern wirklich komplett irgendwohin fortgetragen wird, wo es keine Zeit gibt.
Wenn ich mir den Kopf mal richtig frei machen will von all dem Kleinklein, den momentanen Verpflichtungen und Beschränkungen und mal aus dieser täglichen Enge, unter der Bruckner ja auch schwer gelitten hat, dann läuft hier eine seiner Symphonien. Jetzt gerade übrigens die dritte, die wahrscheinlich auch die von Filmmusikkomponisten am ausgeraubtesten sein dürfte.Labels: musik
von Jens Scholz direct link
Kommentare:
doch, eigentlich schon, aber bei minimal music gehts nicht um wiederholung sondern z.B. um sich ständig verscheibende klangteppiche mit minimalen melodiebögen. bei phillip glass wiederholt sich in der gesamtheit über alle takte gehört so gut wie nichts, auch wenn innerhalb einzelner spuren tatsächlich der takt durchgängig wiederholt wird. in der gesamtheit schieben sich die jeweiligen spuren aber ständig in und übereinander, steigern sich und statt einer melodie folgt man mehr einer klangevolution.
einige ansätze für den aufbau solcher klanggewebe haben schon bruckner oder wagner und finden sich heute in der minimal music wieder.
Das ist ganz ausgezeichnet formuliert. Das Eismeer-Bild trifft es wohl ganz richtig. Denn zu Bruckner gehören diese Klüfte. Seine Musik selbst wirkt dabei gelegentlich wie eben aus so einem Gletscher herausgesprengt.Kommentar veröffentlichen
Die Filmmusik-Sache: Ich bin mir da nicht so sicher, sehe aber auch nichte gerade viel Film. Manier a la Mahler geht da auch immer besonders; dabei sind Bruckner und Mahler musikpoetisch weit getrennt. Es ist schon eher der allgemeine Sound selbst, der Orchesterklang um die Jahrhundertwende.
Neulich habe ich derartiges aber so furchtbar gehört (im Radio), es war nicht zum aushalten. Eine reine Phrasenschlacht und reines Brimborium.
Ich persönlich kann ja mit den Sinfonien 1 bis 4 nicht so wahnsinnig viel anfangen, mit der dritten noch am meisten. Insbesondere Nr. 8 (Schlusssatz) und sieben wie neun (Langsame Sätze) sind aber der helle Wahnsinn.