Sonntag, März 23, 2008
Sparen auf Links: Berlin streicht seine Behinderten zusammen
Ich werde ja gerne mal als Links eingeschätzt, wahrscheinlich wegen meiner wirtschaftskritischen Ansichten und weil ich mich gerne mal über die vielen unangenehmen Eigenschaften allzu konservativer, bigotter und verklemmter politischer Richtungen in diesem Land auslasse. Meistens geht es dabei tatsächlich um sogenannte christliche Parteien.
Allerdings ist das ein Trugschluss, denn das heißt noch lange nicht, daß man dadurch automatisch meine politische Heimat in deren direkter Opposition festlegen kann. Ich sehe nämlich durchaus auch die Bigotterien und politischen Spielchen, die sich die anderen Parteien so leisten: Namentlich tun sich momentan eben die SPD und die Linke durch besondere Schäbigkeit hervor, indem sie in Berlin zeigen, wie man in diesen Parteien so mit Minderheiten umgeht, wenn man mal an der Macht ist: Es geht darum, daß die Schulhelfer für autistische Kinder, die dafür benötigt werden, damit diese eine ordentliche Schulausbildung ermöglicht werden kann, gestrichen werden und das gesamte Thema von einem Bildungs- zu einem Pflegethema gemacht wird, indem man die Verantwortlichkeit an das Jugendamt übertragen will.
Das liest sich und hört sich unsozial an, entspricht aber durchaus einem klassischen linken Weltbild. Das ist in seiner reinen Form nicht weniger asozial und diskriminierend wie rechte Ideologien, denn es beinhaltet genauso ein elitäres Klassensystem - nur daß es eine 'Arbeiterklasse' als führend betrachtet -, bewertet jede Form von Kultur, Religion, Spiritualität ausschließlich nach ideologischer Anwendbarkeit - was z.B. dazu führt, daß Unterhaltung verteufelt wird, man sich staatliche Regulierungen und Quoten wünscht (die zu DDR-Zeiten ja schon prima funktioniert haben) - und lässt eben auch den Schluss zu, daß man für Behinderte, die für eine schöne sozialistische Arbeiter-Gesellschaft ja nichts beizutragen haben, auch keine Bildung benötigt. Solidarität gibt es auch Links nur für die richtige Meinung.
Nur falls sich jemand fragt, wie denn ausgerechnet Linke Parteien so Asozial sein können. Ideologien sind immer Asozial. Auch Linke. Eine Ideologie steht über den Menschen - meistens am weitesten über denen, die sich nicht wehren können. In diesem Fall über autistischen Kindern.Labels: politik
von Jens Scholz direct link
Kommentare:
Neoliberale aller Parteien vereinigt euch. Es ist eine Frage der Selektion. Wenn es auf Dauer schon für "gesunde" Kinder nicht ausreichend Arbeitsplätze gibt, macht es keinen Sinn "kranke" Kinder weitertzubringen.
Wozu etwas entwickeln was man nicht sofort braucht.
Die naheliegendste Antwort von denkenden Menschen, das ich heute ja noch gar nicht weiß, was ich morgen brauche. Ein philosophischer Betrachter könnte sagen, das kein Baum sich selbst beschneidet. Ein Marktmensch würde sagen das je mehr Teilnehmer am Rennen, desto besser die Sieger sein müssen. Ein Kaufmann würde würde davon sprechen das es für jeden Topf ein Deckelchen und für jeden eine Aufgabe gibt, weil ein Kaufmann nur an teilhabende verkaufen kann.
Ein Neoliberaler darf nicht denken, seine Zukunft ist genau ein Quartal lang. Dann erfindet er sich neu, nach den alten dummen Regeln.
Es ist nicht das die unsozial wären, die sind einfach nur dämlich.
Habe selbst, während meines Zivildienstes, zeitweise einen Autisten betreut und kann deshalb aus persönlicher Erfahrung sagen wie wichtig diese intensive Betreuung für Autisten ist.
In dem fast einem Jahr wo ich die Entwicklung mitverfolgen konnte verlief diese unglaublich gut. Ich weiß nicht wie es gewesen wäre, wenn er allein in der Klasse gewesen wäre.
Es war zwar "nur" eine Sonderschul-Klasse mit 9 Kindern, aber wahrscheinlich hätte man ihn früher oder später auf eine Behindertenschule stecken müssen.
Wär schonmal auf solch einer Schule war, weiß was das bedeutet.
Lebenslange Betreuung in Behindertenstätten.
So habe ich zumindest die Hoffnung, dass er ein einigermaßen selbstbestimmtes Leben führen wird - natürlich mit Hilfestellungen.
Zur finanziellen Seite: Welche der beiden Alternativen den Staat billiger kommt sollte offensichtlich sein....
Das ist echt krass. SPD und Linke geben ja auch immer die ganze Zeit vor, dass sie das Bildungssystem gerechter gestalten wollen- in Berlin wohl Fehlanzeige, trotz der Einführung der Schule für alle (Behinderte werden da dann wohl rausgezählt). Das wird vielleicht noch der Treppenwitz der Geschichte.
Was ich aber dennoch nicht so gut an deinem Kommentar fand, war deine Einstellung zu Ideologien. Ich glaube nicht, dass ideologiefreie Politik gibt. Ideologien sind doch per se nichts schlechtes. Ich ordne durch eine Ideologie ein politisches System meinen persönlichen Wertvorstellungen unter, z.B. Gewaltfreiheit oder Solidarität. Es gibt sicherlich auch gute Ideologien- es ist eben nur die Frage, ob der politische Pragmatismus da mitmacht ; )
Hmmm - Gewaltfreiheit u.ä. würde ich eher als Ideale sehen. Ideologien leben IMO von ihrer Ausschließlichkeit der "reinen Wahrheit", die anderes naturgemäß ausschließen muss - da gibt es nur entweder - oder, kein sowohl-als auch. Ideologien werden installiert und gelten dann. Während ein Ideal (wie z.B. Gewaltfreiheit) "erreicht" werden möchte, und wenn es ein "echtes" Ideal ist, zeigt es Richtung und Möglichkeit, wie ein Leitstern.Kommentar veröffentlichen
Ideologien bilden meist Voraussetzungen. Technikgläubigkeit, der Glaubenssatz dass Technik alle Probleme lösen könne und die Natur damit (irgendwann) kontrollierbar sei kann Bestandteil einer Ideologie sein und damit Voraussetzung für Entscheidungen, die besser mit etwas mehr Verstand und z.B. einem Ideal (z.B. dem, keine Probleme zu verursachen, bevor man keine Lösung dafür hat. Oder Keine Gefahren auf unabsehbare Zukunft zu generieren und damit einem Ideal zu folgen, das niemandem Schaden zufügen will). Somit ist die leidige Diskussion, doch wieder Atomkraftwerke zu bauen, neben reinen Profitüberlegungen eine ideologische. Ohne eine solche würde da vernünftigerweise kein Mensch auf die Idee kommen, das sei eine gute Idee. Usw.
