Sonntag, Juli 27, 2008
Illusionen
hat man ja viele. Erwachsen werden hat viel damit zu tun, Illusionen zu verlieren, was viele dazu bringt, die dadurch entstandenen Freiräume mit Zynismus, Gleichgültigkeit oder Unsicherheit zu füllen.
Das geht ja schon echt früh los: Eigentlich so mit sechs, sieben Jahren spätestens hat man kapiert, daß es keinen Weihnachtsmann oder Osterhasen gibt, auch wenn man es noch einige Jahre schafft, das in den wichtigen Stunden zur Bescherung hin zu verdrängen.
Mit vierzehn spätestens merkt man, daß die Eltern nicht die perfekten, allwissenden Lichtgestalten sind, die für jedes Problem eine Lösung haben und jedes Vergehen auf wunderbare Weise vorrausahnen.
Bei Mädchen kommt dann auch bald die Zeit, in der sie begreifen, daß es keine Wundertische gibt, die sich wie von Zauberhand selbst mit Tellern und Essen füllen und daß Geschirr nicht in die Spülmaschine fliegt, wenn man einfach lange genug nicht hinschaut. Bei Jungs dauert das etwas länger, die meisten haben das aber auch kapiert, bis sie dreißig sind.
Danach kommt aber erst der richtig schmerzhafte Teil: Geld kommt nicht von allein aufs Konto, Politik ist nicht, wenn man alle vier Jahre irgendwohin ein Kreuzchen macht und vor allem: Die Welt ist nicht Gerecht. Letzteres ist die wichtigste Lektion, denn die größte Kindheitsillusion ist die, daß die Welt gut ist und man selbst watteweich in ihr beschützt und geborgen ist.
Wenn die dann wegbricht und man nicht andere sinnvolle Werte findet, um zurechtzukommen ist die Gefahr groß, zum Misantrophen zu werden. Oder zum Egoisten. Eine der schwierigsten Aufgaben, die Eltern meiner Meinung haben, ist es, den Kindern beizubringen, konstruktive Alternativen zum Leben im Märchenland zu finden. Daß die Welt nicht Gerecht ist, heißt nicht, daß sie per se ungerecht ist. Man kann in ihr vegitieren, man kann sie ausnutzen, man kann sie sich aber auch schön machen mit Kreativität, Liebe, starken Freundschaften, Engagement.
Ich habe jetzt eine Woche mit meinem großen Sohn verbracht und freue mich darüber, wie leicht ihm Dinge von der Hand gehen, wie integriert und geachtet er in seiner Alternsgruppe ist, wie positiv die Welt auf ihn reagiert (und wie sicher er damit umgeht, wenn ihn an der Strandbar Mädchen fragen, ob er sich zu ihnen setzen möchte).
Da sehe ich ein Selbstbewußtsein, das mich stolz macht. Ich kann das beurteilen, den es ist eines, das ich mit fünfzehn Jahren so einfach nicht haben konnte - was mir bis heute immer wieder Schwierigkeiten macht. Wenn er das behält und ausbaut, wird er einer der Erwachsenen, die mit der Welt prima zurechtkommen.Labels: privat
von Jens Scholz direct link
Kommentare:
Wie ich dir das nachfühlen kann. Es ist was Wunderbares mitanzusehen, wie die Kinder flügge werden. Vor allem, wenn dabei klar wird, daß sie einen besseren Start bekommen als wir ihn hatten, und wir das nicht zuletzt uns selbst zugute halten dürfen. :o)Kommentar veröffentlichen