Sonntag, April 11, 2010
Zitronenhühnchen
1988 waren wir in Warschau. Damals hab ich ein "Kochbuch der polnischen Juden" gekauft. Ein kleines Buch in diesem typischen Ostblockdruck auf diesem groben vergilbten Papier und mit ein paar Fotos drin, die man besser weggelassen hätte, da ihre siebziger Jahre Optik und der Umstand, daß man da einfach das fertige Essen auf nem Tisch fotografiert hat ohne es mal hübsch herzurichten dem Gesamtwerk eher geschadet als genutzt hat.
Aber: In diesem Buch gibt es drei bis vier Gerichte, die es bei mir zu Standardgerichten gebracht haben und die ich seit inzwischen 20 Jahren immer wieder gerne koche. Ich benutze da inzwischen auch nicht mehr die Angaben aus dem Buch sondern mach das auf meine eigene frei Schnauze Art. Das Zitronenhühnchen habe ich dabei über die Jahre so gut drauf, daß ich es jederzeit blind kochen kann.
Allerdings hab ich das noch nie für acht Personen gemacht, insoweit war ich gestern doch etwas nervös (und tatsächlich mussten wir nochmal kurz um die Ecke und drei Zitronen nachkaufen, weil ich mich zuerst mit der Menge an Saft verschätzt hatte, die man aus einer Zitrone so rausbekommt).Aber am Ende war alles gut und das Hühnchen lecker und reichlich (was daran lag, daß wir dann doch nur zu sechst waren und somit jeder ein halbes Hühnchen vor sich hatte). Die Haut war eine Geschmacksexplosion aus Zitrone und Honig und die Soße aus Zitronen, Honig, Butter und Knoblauch hat das Fleisch so unfassbar zart und geschmeidig gemacht, wie es sein sollte (dadurch daß die Hühner eine gute Stunde in der Zitronensauna vor sich hin brutzeln wird es derart zart, daß man die Tiere mit einem normalen Messer inklusive Knochen durchschneiden kann).
Das ist auch der Effekt, der mich an diesem Gericht selbst jedesmal wieder fasziniert, weil man ja unter gebratenem Huhn normalerweise dieses etwas fasrig, trockene Fleisch erwartet. Ich freue mich da immer wie ein Schneekönig, wenn die Gäste das erste Mal einen Bissen in den Mund nehmen und verwundert sind, daß das auch anders geht.Update: Wie korrekterwesie in den Kommentaren angemerkt wird, wäre es natürlich geschickt, das Rezept nicht zu vergessen. Also bitte, hier das Rezept mit Mengenangaben pro Huhn (2-4 Personen je nach Hunger und Menge von Salat und Beilagen).
Zutaten:
1 ordentliches Huhn. Am besten finde ich die, die man bei türkischen oder griechischen Metzgern bekommt.
3-4 Zitronen
Honig
Butter
1 ganze Knolle Knoblauch
Als Beilage sind eigentlich Kartoffeln gedacht, aber ich finde, daß Basmatireis auch ganz großartig dazu passt.Zubereitung:
Ofen auf 200 Grad stellen (man kann, wenn man sich nicht sicher ist, ob man das Timing fürs Huhn umdrehen und begießen so hinbekommt, daß es wegen des Honigs nicht anbrennt, auch mit weniger Hitze anfangen und dann nur am Ende nochmal für ein paar Minuten richtig heißstellen, dann bracuht das alles aber auch etwas länger)
Knoblauchzehen in Scheiben schneiden
Einige Knoblauchscheiben an Brust- und Rückenseite unter die Haut des Huhns, also zwischen Haut und Fleisch schieben (bei mir sind das so etwa 10 Scheiben pro Seite, jeweils 5 links und 5 rechts. Dann noch so viele Knoblauchscheiben wie möglich überall dort reinstecken und klemmen, wo Platz ist (also unter Flügel und Keulen und innen rein...).
Eine Zitrone Schälen und so etwa wie gerne mal eine Handgranate gezeichnet wird anritzen. Dann diese Zitrone auch in das Huhn hinein stopfen. Eventuell muss man mit einem Bindfaden die Keulen zusammenbinden.
Die restlichen Zitronen auspressen, und deren Zitronensaft, 3-4 Esslöffel Honig und ein ordentlich großes Stück Butter (so ein Viertel von einem handelsüblichen Butterstück) in einem kleinen Topf warm machen und mischen. Da rein noch ein bisschen Pfeffer, eine Prise Salz und den restlichen Knoblauch. Das soll nicht kochen, sondern nur warm werden. Wenn man umrührt und man gerade so daß Gefühl hat, daß es nicht mehr ganz so Zitronensaft-wässrig flüssig ist, ist es gut. Ansonsten einfach noch etwas Honig dazu tun.
Der Ofen dürfte jetzt vorgeheizt sein. Das Huhn muss jetzt in eine Auflaufform, in der es zu allen Seiten richtig gut Platz hat und die auch hoch genug ist, damit da auch die ganze Soße reinpasst. Anfangen tut man aber nur mit etwa der Hälfte davon: Die wird über das Huhn gegossen, dabei drauf achten, daß auch wirklich überall Soße hinkommt.
Dann in den Ofen. Am besten fängt man damit an, daß das Tier auf der Brust liegt. Dann kann man an der Seite wo nur wenig Fleisch ist sehen, wie sich die Bräune so entwickelt und die Brust schmort erstmal in Ruhe in der Zitronen-Honigsoße.
So schnell die Vorbereitung war (das ganze dauerte ja vielleicht mal 15 Minuten bis das Huhn im Ofen ist), jetzt wird es dauern. Man muss immer wieder nachsehen, wies dem Tierchen geht, sonst ist ganz plötzlich was schwarz, vor allem da, wo der Knoblauch unter der Haut steckt. Sobald eine erste Bräune zu sehen ist, muss man das Huhn zum ersten Mal umdrehen (also Brust nach oben). Auch diese Seite sollte nun gut beobachtet werden. Die Haut muss immer feucht glänzen. Daher muss man ca. alle 10 Minuten wieder etwas Soße drübergießen. Bei den Gelegenheit, in denen man den Ofen öffnet, kann man auch immer mal die Auflaufform etwas drehen und verschieben, damit die Bräune schön gleichmäßig wird.
Was man also ab dem Moment machen muss, an dem beide Seiten schon mal leicht Braun geworden sind ist, etwa eine Stunde lang alle 5-10 Minuten in den Ofen schauen und aufpassen, daß nichts anbrennt, das Huhn immer mal wieder wenden (und auch mal auf die Seiten legen), und vor allem immer wieder mit Soße übergießen. Wenn der Topf dann irgendwann leer ist, kann man mit einem Löffel die Soße aus der Auflaufform löffeln und über die Haut gießen (dem Huhn, nicht sich selbst). Da der Ofen im Prinzip eine Hühner-Sauna mit Zitronen-Honigaufguss geworden ist muss man als Brillenträger etwas aufpassen und nicht erschrecken, wenn man da jedesmal ziemlich heißen Dampf abbekommt.
irgendwann ist es dann so braun wie oben auf dem Bild. Dann kommts raus und kann mit einem normalen scharfen Küchenmesser längs in 2 oder längs und quer in 4 Teile auseinandergeschnitten werden.
Die Teile kommen auf den Teller, dazu Reis oder Kartoffeln und darüber nochmal Soße aus der Auflaufform. Der Rest kommt in eine Sauciere (am besten eine, die sie unterhalb der Fettschicht ausgießen kann), um davon immer mal wieder übers Fleisch oder den Reis nachzugießen.
Guten Appetit.Labels: kochen
von Jens Scholz direct link
Kommentare:
Das klingt gut! Denkst du, das würde auch mit sowas hier funktionieren: http://is.gd/boIZo ? Habe so eins nämlich vor einiger Zeit geschenkt bekommen und bisher irgendwie noch keine Verwendung dafür gehabt. Kann natürlich sein, dass das den "Saunaeffekt" schmälern würde, also eher kontraproduktiv wäre...
Die Dinger kenn ich nicht. Aber so wie das aussieht steht das Huhn da aufrecht und schmort somit nicht in der Soße. Würde ich daher nicht dafür verwenden.Kommentar veröffentlichen