Freitag, Juni 15, 2007
Yahoo Deutschland hat da wohl ein Flickr-Problem
So ein bisschen ist es ja doch gut, daß ich schon etwas Älter bin und einige Internetdienste kommen und gehen gesehen habe. Da waren gute dabei und ganz viele miese. Die Guten hielten hin und wieder einfach nicht durch, auch wenn eigentlich alles recht gut lief - es ist halt dann doch auch mal der Wurm drin, es gab unerwartetes Pech oder einfach keinen Weg in die Rentabilität.
Die miesen musste man zum Glück grundsätzlich nicht lange ertragen.
Wirklich Leid tat es mir aber immer, wenn ein guter Service mies wurde. Vor allem, wenn er Jahre lang gut war. Der Moment, der den Fall einläutet, ist normalerweise der Verkauf.
Muss aber nicht, so war ich zum Beispiel in den ersten Jahren (ich spreche von um 1997/98) von dooyoo ein aktiver Nutzer dort, denn man konnte neben den üblichen Produktbewertungen auch durchaus über andere Themen reden und man hatte für damals auch einige echt interessante Cmmunityfunktionen. Bis eben irgendwann plötzlich "Kein Produkt" erst "Off Topic" wurde, indem man alle Nicht-Produkt-Kategorien einfach löschte und man dann begann, Kommentare und Einträge massiv zu zensieren. Klar gabs da einen ordentlichen Aufstand und ein paar Wochen lang auch einige kreative Aktionen, am Ende erkannten wir aber, daß es den Aufwand nicht Wert war. Wenn die dort nur Kiddies haben wollten, die sich in AIM-Deutsch was über die neuesten Handymodelle zusammenstammeln, have it that way.
Im aktuellen Fall Flickr aber geht tatsächlich alles nach Buch: Yahoo kaufte den Laden und seitdem verblasst der Flickr-Geist und wird nach und nach ein ganz normales Geschäft.
Das sorgt dafür, daß man immer öfter und heftiger mit dem... ich sag mal klassischen, aktiven Internetnutzer in Konflikt gerät. Daß Yahoo keine Firma ist, mit der diese Spezies freiwillig zu tun haben will ist klar: Wer ohne Not ein totalitäres System unterstützt und Dissidenten verrät, wer die klare Ansage macht, daß Themen, die uns Internetnutzer nunmal besonders interessieren, kein Thema sind, sagt im Prinzip: Wir wollen euch nicht, geht woanders hin.
Was okay ist. Ich vermeide Yahoo seit Jahren, ebenso wie ich möglichst weit weg von allen AOLs und T-Onlines dieser Welt bleibe. Das sind alles Firmen, die Internet als etwas anderes verstehen als ich, wir sind nicht kompatibel.
Flickr nun war aber sehr lange auf der guten Seite der Internetwelt. Die hatten da was tolles auf die Beine gestellt und standen auch für eine Philosophie. Eine kompatible Philosophie. Leider eben nur solange, wie sie eben nicht Yahoo gehörten, denn die Philosophie ist nun eine andere.
Letzenendes bin ich nur etwas überrascht, aber auch ganz froh darüber, daß es so schnell geht. Als ich zwingend eine Yahoo-ID brauchte, um Flickr weiter nutzen zu können, dachte ich mir schon, daß es das dann wohl gewesen ist (wie gesagt, ich bin doch ganz froh, daß ich schon eine Weile im Netz unterwegs bin, man riecht das irgendwann). Im Flickr Account stand meine deutsche Adresse. Im Yahoo-Account wohne ich dagegen lieber mal in Alaska (weswegen ich von der Deutschland-Zensur auch gar nicht betroffen bin).
Das heißt also: Der Pro-Account wird ablaufen, um Flickr-Fotos sehen zu können hab ich dann ja einen US-Account. Ich werde die Community dort wohl nicht mehr nutzen und dann auch keine Fotos mehr hochladen sondern mir dafür eine andere Plattform suchen. Ich gehöre offensichtlich nicht mehr zur Zeilgruppe, was mir mittelfristig auch gar nichts ausmacht, ich zahl ja folgerichtig auch nicht mehr.
Worüber ich mich ja amüsiere ist, daß das alles überhaupt nicht nötig gewesen wäre. Die Begründung (nach 2 Tagen) für die Zensur zeigt, daß man bei Yahoo einfach nur vor lauter Angst vor den deutschen Jugenschutzbestimmungen in einem ganz schrägen vorrauseilenden Gehorsam agiert hat (was mich ja seit China nicht verwundern muss). Hätten sie sich richtig informiert, hätten sie ja eventuell kapiert, daß die jugendgefährdenden Inhalte, um die es in unseren Gesetzen geht, bei Flickr ohnehin verboten sind und außerdem - wie man ja bei der Qype-Geschichte erfahren hat - die Abwälzung der Haftung für den Inhalt auf den User in Deutschland prima funktioniert. Wir haben ja auch genügend Fotocommunities in Deutschland, die machen solchen Unsinn nicht und werden trotdem nicht ins Gefängnis gesteckt.
Auf der anderen Seite: Würde Yahoo auf Flickr Inhalt erlauben, der jugendgefährdend ist, würde man sich auch mit den Zensurschritt von Vorgestern keinen Deut mehr Rechtssicherheit verschafft haben, denn dann müßte man zwingend eine valide Altersverifizierung einführen.
Was Yahoo Deutschland aber damit geschafft hat, ist einen hübschen, klaren Rechtsverstoß zu begehen (mag den wer abmahnen?): Man hat für ein zu bezahlendes Produkt die Leistung eingeschränkt und offenbar eine Änderung in der Kundenbeziehung hergestellt, indem die Kunden nicht mehr Flickr oder Yahoo US "gehören", was in Deutschland beides alleine schon grundsätzlich bedeutet, daß die Kunden davon unterrichtet werden müssen (Änderung der AGBs). Was wiederum bedeutet, daß die Kunden ein Sonderkündigungsrecht haben mit Anspruch darauf, das Geld für die restliche Zeit zurückzubekommen.
Ich nehme an, die Diskussion und die Proteste tun Yahoo nicht wirklich weh, dafür sind sie zu weit weg von unserer Denkweise. Ganz gut in ihre Denkweise aber würden Accountkündigungen mit Geldrückforderungen passen.
Ich hab jedenfalls ein paar Worte im entsprechenden Thread dazu gesagt, ziehe die Konsequenz, mich von Flickr zu verabschieden und seitens Yahoo wird man, wenn ich mich recht an Dooyoo erinnere, irgendwann die Threads schließen, die Protestbilder ausfiltern (ah, geht ja schon los) und am Ende genau die deutschen Nutzer haben, die man eigentlich haben will. Es lohnt nicht, dem Flickr nachzuweinen, das es vor ein paar Jahren noch gab. Das Flickr von heute heißt nur noch gleich.Ach so, und wegen der Sprüche, daß man sich nur aufregt, weil man keine Titten mehr sieht. Don schreibt hier warum man sich wirklich Sorgen machen sollte.
Labels: deppenalarm, flickr, yahoo, zensur
von Jens Scholz direct link
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