Montag, Juli 21, 2008
Euroweb vor GerichtDas allerdings ist tatsächlich bemerkenswert. Denn eigentlich ist ja klar, wie eine Verhandlung ausgeht und somit findet eine solche normalerweise gar nicht statt. Warum doch? Der Autor spekuliert hier, ob das gericht dem unternehmen zu verstehen geben wollte, dass es unter Beobachtung steht? Die Verhandlung jedenfalls verlief dann ungefähr so:
Das ging ja leider irgendwie an mir vorbei: Es gab Anfang Juli offenbar eine Gerichtsverhandlung gegen Euroweb bzw. einen Mitarbeiter. Das Interessante daran ist für mich, daß es hier nicht um einen der vielen Privatprozesse ging, sondern daß der Staatsanwalt tätig wurde. Ich habe einen Bericht eines anonymen bleiben wollenden Lesers, der sich diese Verhandlung angesehen hat. Die Teile des Berichtes, die ich nachrecherchieren konnte sind folgende:vor zwei jahre fuehrte die firma euroweb internet gmbh einen prozess gegen einen kritiker[das dürfte die Holznagel-Geschichte gewesen sein - j.s.]. er hatte um die verkaufspraktiken der firma zu dokumentieren erfahrungsberichte betroffener kunden gesammelt und sandte sie auf anfrage an weitere betroffenen kunden weiter. ein anwalt von euroweb verschaffte sich durch eine falsche identitaet zugang zu diesen berichten. die firma versuchte dann die verteilung dieser kundenberichte zu durch ein gericht zu untersagen.
um die kundenberichte zu entkraeften wurden ihnen berichte seitens der euroweb vertriebsmitarbeiter gegenuebergestellt. in einer solchen eidesstattlichen erklaerung versicherte ein firmenvertriebsmitarbeiter u.a., dass er einer kundin im verkaufsgespraech keine hervorragende plazierung in suchmaschinenergebnissen garantiert habe. die betroffene kundin, die wie so viele andere vor einigen jahren selbst einen prozess gegen euroweb initiiert und verloren hatte, erfuhr davon und erstellte daraufhin strafanzeige. nach ihrer schilderung hatte dieser aussendienstmitarbeiter ihr gegenueber genau dieses Versprechen im jahr 2002 gemacht. die klage der staatsanwaltschaft wurde vor gericht zugelassen und im Juli 2008 zugelassen.
bemerkenswert war, dass das amtsgericht duesseldorf die anklage zuliess, obwohl offenkundig aussage gegen aussage stand. (...)
der angeklagte (...) gab an, dass er sich noch genau an das geschaeft mit der betreffenden kundin erinnern koenne und bestritt ihre aussagen. Es sei nicht geschaeftspraxis von euroweb, solche versprechen zu geben und technisch zudem gar nicht moeglich. seine anwaeltin hielt die aussage der zeugin fuer nicht glaubwuerdig, weil die strafanzeige so lange nach dem verkaufsgespraech erfolgte. (...) die anwaeltin bezweifelte, dass sich die zeugin nach sechs jahren noch an das verkaufsgespraech in diesen einzelheiten erinnern koenne und aeusserte die vermutung, dass rache der beweggrund fuer die anzeige gewesen sei.Eben. Und hier stellt sich wieder die Frage, warum überhaupt eine Verhandlung stattgefunden hat. Die Richterin hat jedoch nicht einfach die Klage abgewiesen, sondern vor und nach der urteilsverkündung doch noch einiges mehr gesagt:
die zeugin (...) schilderte das verkaufsgespraech ausfuehrlich und detailreich aus ihrer sicht. auf die frage warum sie in ihrem eigenen prozess nicht auf die angeblich versprochene suchmaschinenoptimierung eingangen war, antwortete sie, dass andere aspekte bei der vertragserfuellung (oder der ihrer meinung nach ungenuegenden vertragserfuellung) fuer sie wichtiger gewesen seien und sie damals, was internettechnik angeht, noch recht unerfahren gewesen sei.
das urteil endete mit einem freispruch, beantragt durch die vertreterin der staatsanwaltschaft. dies war nicht weiter bemerkenswert und auch nicht anders yu erwarten.
schon waehrend der verhandlung hatte sie erwaehnt, dass bereits in der zeit, als sie beim amtsgericht duesseldorf noch mit zivilrechtlichen fragen befasst war, sie mit einer ganzen reihe aehnlicher prozesse konfrontiert war, in denen solche aussagen von betroffenen kunden den aussagen der firma euroweb gegenueber standen. jedesmal waeren keine weitere zeugen beteiligt gewesen, so dass aussagen gegen aussage stand. sie fragte sich laut, wie diese vorwuerfe der kunden zustande gekommen waren und ob all diese vertragspartner sich allen ernstes absprechen wuerden. sie hielt es im gegensatz zur anwaeltin des angeklagten fuer plausibel, dass sich die zeugin an dieses verkaufsgespraech detailliert erinnere, denn schliesslich wuerde sich ja auch der vertriebsmitarbeiter genau an das gespraech erinnern.Der Prozessbeobachter schreibt, die ganze zeit lang wurde er als zuschauer den eindruck nicht los, dass die richterin genau wusste, was da bei euroweb gespielt wird. allerdings sei klar gewesen, wie hier rechtlich zu entscheiden war...
nach der verkuendigung des freispruchs wiederholte die richterin nochmal ihre frage nach der seltsamen haeufung der zivilrechtlichen prozesse mit aehnlichem inhalt. sie gab deutlich zu verstehen, dass sie nicht wisse, was in dem verkaufsgespraech vor sechs jahren vorgefallen sei und ob der betreffende vertriebsmitarbeiter sich nun tatsaechlich mit solchen versprechungen die vertragsunterzeichnung erschlichen habe oder nicht. aber im zweifel muesse fuer den angeklagten entschieden werden. die aussage, dass die zeugin in ihrem ersten prozess nicht auf diesen aspekt der verkaufsgespraechs abgehoben habe, weil er ihr damals nicht als relevant erschien, hielt sie fuer glaubhaft.
Wer den ganzen Bericht lesen möchte, kann das hier tun. Die ausgelassenen Stellen sind Beschreibungen des Beschuldigten und der Zeugin oder subjektive Vermutungen aus dem Verhandlungsverlauf, die ich - weil ich die Verhandlung ja nicht selbst verfolgt habe - ja nicht nachvollziehen kann.
Labels: euroweb, rechtskram
von Jens Scholz direct linkKommentare:
Na, das ist ja nett. Hab ich mir doch gedacht, daß die Anwesenheit des
Herrn in Schwarz bei der Verhandlung nicht ganz ohne Folgen bleiben wird. Interessant, was mir da so alles entgangen ist, während ich nicht im Saal war.
Kleine Korrektur: Ich habe keinen Prozeß gegen Euroweb initiert, sondern bin von Euroweb per Urkundenprozeß verklagt worden. Verloren habe ich aber, das stimmt.
Davon abgesehen - vielen Dank an den Verfasser dieses Berichts!
ja, fiel mir auch auf und überlegte noch, ob ich ne anmerkung dazusetze. fands dann aber eigentlich für das thema unwichtig, wie herum das jetzt lief.Kommentar veröffentlichen