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Mittwoch, April 29, 2009

20 Jahre ohne Plan
Vor 20 Jahren hab ich Abi gemacht und dieses sehr verhasste Schulkorsett verlassen, das zuvor 15 Jahre lang mein Leben bestimmte. Ich war frei und fühlte mich auch so. Es war großartig, an einem Morgen aufzuwachen und zu denken: "Heute muss ich nicht in die Schule. Nein, einen Moment! Ich muss ab heute nie wieder in die Schule!"
Es gab Lehrer, die mir prophezeiten, daß ich die Schule vermissen würde. Wenn der "Ernst des Lebens" erstmal richtig hart zuschlägt. Wenn die Verantwortung für alles, was man tut, einen erdrückt. Wenn die Angst um Arbeitsplatz oder die nächste Mietzahlung oder das Wohl der Kinder oder was auch immer sonst so einem so an Sorgen machen kann einen nicht schlafen lassen würde.
Ich kann nicht behaupten, daß es all diese Dinge nie gegeben hat bzw. sogar gerade gibt. Aber ich kann behaupten, daß es auch nichts besseres gibt als das Gefühl, solche Schierigkeiten zu überwinden und daß all die Leute, die sich in die geregelte Einfachheit der Schule zurückwünschen da echt was verpassen. Ich vermisse die Schule kein bisschen. Vor 20 Jahren fing mein Leben an und ich dachte: Jawoll! Ein Plan wäre gut.
Also hab ich erst einmal Zivildienst gemacht, um in Ruhe überlegen zu können. Der Plan war dann auch schnell gefunden: Ich wollte Grafikdesign studieren und Comics zeichnen.
Der Plan schlug fehl, denn die FH in Mannheim hat mich abgelehnt. Da ich ja nur diesen Plan hatte, ergab sich plötzlich ein halbes Jahr Zeit, das ich dazu nutzte, um erst mal planlos in ein paar Jobs herumzustolpern. Der Fahrerjob war scheiße, der Job als Pfleger war dagegen prima. Und während dieser Zeit machte ich einen neuen Plan: Ich wollte Orientalistik studieren um dann in irgendeinem Beruf als Spezialist für Sprachen und Kultur des vorderen Orients einsteigen, der mir dann während des Studiums hoffentlich über den Weg laufen würde.
Der Plan schlug fehl. Ich habe zwar studiert und kam sogar dabei fast bis zum Magister, aber während des Studiums kam ein Kind und der Umzug der Fakultät aus Heidelberg just in dem Moment, als wir uns dort häuslich niedergelassen hatten. Machte aber nichts, ich hab einen neuen Plan gemacht: Da Astrid einen echten Beruf hatte und auch schon mitten in ihrem praktischen Jahr war, ich dafür mit dem Studium aussetze um fürs Kind da zu sein und dabei begann, mich mit dem Internet zu beschäftigen dachte ich, ich würde wohl vor allem zu Hause sein und höchstens nebenher etwas als Webdesigner arbeiten, vielleicht einen Verlag gründen und Astrid arbeitet Vollzeit in ihrem Beruf.
Der Plan schlug fehl, denn relativ schnell hatte sich das Thema Internet völlig verselbständigt und ich fand mich bei einem dieser völlig neuartigen "Internet Service Provider" wieder. Etwas was man nie hätte planen können, weil es eine solche Firma sechs Monate vorher noch gar nicht gegeben hat. Der nächste Plan war daher endlich mal ein realistischer, nämlich erst einmal keinen Plan mehr zu machen, weil eh alles anders kommt.
Dieser Plan schlug aber ebenfalls fehl. Nicht sofort, diese Internetsache war tatsächlich spannend, lukrativ und lehrreich. Aber irgendwann war ein zweites Kind unterwegs und die Internetfirma löste sich auf und das fast gleichzeitig. Die ein paar Jahre gut funktioniert habende Planlosigkeit führte zu einer ziemlichen Panik, jedoch fand ich am Ende doch sehr schnell einen wirklich guten Job und die schreckliche Zukunftsangst war am Ende doch nur eine Schrecksekunde. Aber ich wollte nun klarere Verhältnisse. Der neue Plan war daher, endlich ein Erwachsenenleben zu führen: Ein sicherer Job für mindestens die nächsten 20 Jahre, eine ordentliche Wohnung, ein geregeltes Familienleben. So ging ich wohlgemut ins Jahr 2000.
Dieser Plan nun schlug so dermaßen und epochal fehl wie kein anderer zuvor. Ich kanns ab hier auch kurz machen, denn als ich noch dachte, der Plan wäre gut und stimmig habe ich angefangen zu bloggen und die Irrungen und Wirrungen, die dafür sorgten, daß sich schon nach 3 Jahren die familiäre und nach weiteren 3 Jahren die berufliche Hälfte dieses total felsenfesten 20-Jahresplans atomisiert hatte kann man hier einigermaßen ordentlich dokumentiert nachlesen.
Die Trümmer sind inzwischen aufgeräumt, mein Job macht Spaß, mein Privatleben hat etwas Platz für meine Bedürfnisse und ich habe mich gut damit eingerichtet, gerade mal wieder nichts wirklich zu planen sondern nur mit genügend Interesse links und rechts und nach vorne zu schauen und gut aufzupassen, daß die Reise nirgends hingeht wo es mir nicht gefällt. Das macht eine angenehme Reisegeschwindigkeit und lässt auch genügend Optionen zum aus- oder umsteigen offen, falls mal was vorbeikommen sollte, womit ich mich mal näher beschäftigen möchte. Dafür, herauszufinden, wie ich heute am besten mein Leben leben kann, habe ich 20 Jahre gebraucht und viel falsch und einiges richtig machen müssen. Und das alles gemacht zu haben gefällt mir ungemein.
Allerdings denke ich manchmal, ich könnte mir ja doch demnächst mal einen neuen Plan machen.

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von Jens Scholz   direct link     
 

Kommentare:

Ceterum censeo: wenn du anfängst einen Plan zu machen, geht man besser weiträumig in Deckung (wobei ich es schon schade finde, dass sich der Gameplan seinerzeit verflüchtigt hatte - wäre mal was anderes gewesen).

By the way: dazu passt wunderbar jener Song, den ich gestern, nach Jahrzehnten wieder entdeckt habe.

"Nie war der Horizont so öde wie damals,
nie waren die Reden so verlogen wie damals,
nie war der Himmel so leer wie damals,

nie standen wir alle so nackt da wie damals,
nie waren die Minister so bombig wie damals,
nie war die Angst so nah wie damals.

Vielen von uns war damals die Wüste zu eng,
vielen von uns war damals die Wüste zu eng.

die Wüste zu eng"

Spliff, "Damals"
 
Ja, noch son Plan, der nicht funktioniert hat. Solche gibts ja noch viel mehr, wos dann an Details scheitert, an denen man nicht vorbeikommt (z.B. wenn man keine Finanzierung findet).
Das find ich aber nicht so schlimm, denn wenn man ein paar Jahre später sieht, daß andere eine sehr ähnliche Idee zum Fliegen bringen konnten hat man ja auch den Beweis, daß man sowas kann. Das Problem ist halt, daß es für sowas immer Umstände gibt, auf die man wenig Einfluss hat und wenn die im richtigen Moment nicht passen kann der Plan selbst noch so gut sein.
Jedenfalls war früher nicht alles besser. Spliff allerdings schon.
 
Zum Thema "Pläne" fällt mir spontan ein Zitat aus der Dreigroschenoper ein ("Das Lied von der Unzulänglichkeit"):

"Ja mach nur einen Plan,
Sei ein großes Licht!
Und mach dann noch 'nen zweiten Plan
Geh'n tun sie beide nicht"

Man könnte es auch in zwei Worten zusammenfassen: "Shit happens".
 
Packen wir es an? Hört sich und fühlt sich doch alles gut an!!! Und wir haben es uns verdient, weil wir sind die GUTEN.
 
ich glaub ich hatte Dir ja schon mal gesagt, dass mir Deine "Planerei" nicht ganz verständlich ist (macht ja nix, jeder wie er will/muss :)

...Aber das Schöne bei all der Planerei und Patzerei ist doch, dass Du letztendlich da oder dort bist, weil Du alles so gemacht hast, oder besser, weil Du etwas geplant hast. Insofern sind Pläne im Sinne der human condition wohl eine Art gelebter Quantenphysik...wer weiß, wie viele J.Scholze in diversen Paralleluniversen genau das machen, was der hiesige so geplant hat ;)
(bissl verschwurbelt oder so, keine Zeit für sauber durchdachte Gedanken) Gruss
F
 
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