Dienstag, Januar 26, 2010
Jugendschutz als Klowandreiniger und was nun wirklich zu tun ist
Man kann die Gefahr gar nicht groß genug sehen, die momentan von diesem Jugendmedienschutz-Staatsvertrag ausgeht. Die ersten Analysen des Inhaltes sind nicht nur alarmierend, sondern lassen gar schon Wirtschaftsteilnehmer, die normalerweise eher weniger im Ruf stehen, politisch besonders progressiv zu sein, vor dem Ende der freien Kommunikation im Internet warnen.
Wie Ernst die Lage ist, macht Isotopp heute klar, indem er die Detailanalysen mal weglässt und das "Werk" in den Konztext bringt, in dem wir es eigentlich betrachten müssen, um eine echte Gegenstrategie zu entwerfen:Die Analysen (...) zeigen die wichtigen Punkte auf. Sie zeigen aber nicht, daß sich hier gerade eine unheilige Allianz von Politik und Großmedien aufbaut, denen eine solche Entwicklung genau die gewünschten Veränderungen erzeugt:Es geht also darum, ob das Internet überhaupt frei bleibt. Es geht um einen völlig entgegengesetzen Weg als den, den die Obama-Regierung momentan propagiert und auch gegen Widerstände von Gatekeeperinteressen verfolgt.1. Die Publikation von kostenlosen, kooperativ erzeugten freien Inhalten wird aufwendiger.
2. Es wird die Überwachungs- und Zensurinfrastruktur legitimiert, die schon im Rahmen der Zensursula-Diskussion gewünscht wurde.
3. Das ganze wird am Ende ein Muster-Anwendungsfall für den elektronischen Personalausweis, der notwendig wird, um sich beim Provider und beim Site-Betreiber für den Internet-Zugang und den Inhaltszugriff zu legitimieren und die Bedarfsträger können endlich mit Identitäten statt IP-Nummern operieren, wenn sie ermitteln wollen.
4. Mit diesen Identitäten lassen sich auch Meldungen und ihre Weitergabe ausgezeichnet tracken, sodaß wir auch eine technische Basis für den Verteilschlüssel der Einnahmen aus dem neuen Leistungsschutzrecht haben.
Letzteres kann eine Chance sein: Sicherlich ist es wichtig, eine exakte Analyse des Vertrages nach Schwachstellen und Angriffspunkten zu durchsuchen, um es zu stoppen. Das hat letztes Jahr bei Zensursula geklappt und ich glaube auch, daß das dieses Mal hilfreich sein kann.
Aber: wollen wir das jedes Jahr wieder tun?
Oder wollen wir nicht lieber dafür sorgen, dass es eine ordentliche Regelung für das Internet gibt, die dem Medium gerecht wird? Dazu allerdings müsste man wesentlich weiter oben ansetzen als bei irgendwelchen Verträgen, die Länder in stillen Kämmerchen aushandeln. Und wesentlich politischer. Dazu würde ich mir wünschen, dass die Piratenpartei schneller erwachsen wird als momentan. Und dass die an echten Bürgerrechten interessierten etablierten Parteien - wo hört man denn da was von den Grünen und der SPD, die hier immer noch schlafen - mal mehr auf die Beine stellen als sich an die Demos der Überwachungsgegner dranzuhängen.
Es wäre toll, wenn wir jetzt einen Gang höher schalten könnten um einen Weg zu finden, eine wesentlich internationalere Initiative zu befeuern, um das Internet vor denen zu retten, die es als Gefahr für ihre Machtstrukturen stutzen, zensieren und zu einem Überwachungsinstrument umbauen wollen.Update: Themen trennen - Unsere Jugend wird nicht im Internet bedroht
Labels: jugendschutz, piraten, politik, zensur, überwachung
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Samstag, Januar 23, 2010
Piratendiskussionen
sind immer so ein wenig vorhersehbar. Schritt eins ist immer: Ein paar Piraten, offensichtlich momentan einige in Dresden die meinen, Nazis sollten da ungestört ihre Demo machen und die Gegenaktion brauche keine piratige Unterstützung, schauen aus ihrer binären Wolke in die nicht allzu zweipolige Welt hinaus und die schön logischen Ideale treffen auf das reale "Die Wirklichkeit ist dann doch nicht ganz so einfach".
Denn: Nicht alles was ausgesprochen wird - zum Beispiel von Nazis - ist einfach nur eine Meinung und nicht alles, wofür die demokratischen Mittel genutzt werden ist auch wirklich demokratisch - im Falle von Naziaufmärschen ist es eine Machtdemonstration.
Nicht allen Piraten muss man Politik erklären, aber einigen wohl schon. Das kann ich in diesem Fall Sven überlassen, dessen Vielzeiler hoffentlich auch für normalerweise kürzer denkende Menschen noch lesbar ist. Ansonsten hier die Kernaussage:Toleranz heißt nicht, die eigene Abschaffung tolerieren zu müssen. Im Gegenteil: es heißt, sich gegen jeden, der sie abschaffen will, zur Wehr zu setzen. Wenn möglich friedlich. Wenn nötig auch mit anderen Mitteln. Soweit sind wir zum Glück noch nicht. Wenn allerdings selbst fridliche nicht mehr genutzt werden dürfen, so dass sich Intoleranz ungehindert verbreiten darf, wird es irgendwann zu spät sein. Vielleicht sogar zu spät selbst für nicht friedliche.Hier weiterlesen. Und die lustigen Kommentare beachten, da gibt es nämlich Schritt 2 zu bewundern: Die Simpeltheoretiker (natürlich anonym) versuchen sich in Küchenphilosphie, großartigerweise immer mit den typischen Fremdschämphrasen ("Setzen, sechs," oder der unsägliche, niemals fehlen dürfende Nuhr, der sicher noch kommt). Ein bisschen tun sie mir schon Leid, denn sie argumentieren sich Sven natürlich ins Messer.
Schritt drei allerdings ist dann der, der mich die Piraten nicht aufgeben lässt: Bisher konnten die Naiven immer davon überzeugt werden, daß das mit der nicht politischen Ausrichtung als politische Partei einfach nicht funktioniert und ich bin auch hier sicher, daß die Piraten am Ende die "richtige" Position einnehmen und nicht die "Rechte" gewähren lassen. Diese butterweiche Verlautbarung jedenfalls ist keine Position und führen natürlich zu entsprechenden Kommentaren aus der rechten Ecke, die die Schwächen bemerken und weidlich ausnutzen.
Aber ein bisschen ärgerlich ist es ja schon, daß sie in dieser Lernphase wirklich keinen Fettnapf auslassen.Labels: dresden, nazis, piraten
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Dienstag, Dezember 01, 2009
Warum ich nicht über das Thema diskutiere
Weil es nicht um Baumaßnahmen geht, wenn rechtsradikale* Populisten ein Thema eröffnen. Weil es nicht um Freiheit geht oder Sicherheit. Weil "Minarett" nur ein Platzhalter für "Ausländer" ist. Denkt selbst drüber nach, für was "Verbot" der Platzhalter ist.* ich habe übrigens im vorigen Post radikal und extrem verwechselt. Hat niemand angemahnt, aber ich wollts dennoch mal klarstellen: Ich halte Königs Argumentation für rechtsradikal. Nur falls jemand den Unterschied kennt und sich gewundert hat.
Labels: instrumentalisierung, piraten
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Montag, November 30, 2009
Hallo Piratenpartei
Könnt ihr bitte endlich mal damit anfangen, eure Rechtsextremen einfach mal direkt rauszuschmeißen und nicht immer erst mal in irgendwelche Ämter zu wählen bevor ihr es tut? Sehr verbunden.Labels: piraten
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Dienstag, November 10, 2009
10. November
Mit Fahrtenmessern gegen den "Führer" - über die Kölner Edelweisspiraten:Bei nasskaltem Herbstwetter haben sich Hunderte menschen hinter dem Bahnhof im Stadtteil Ehrenfeld eingefunden. Manche der Schaulustigen feixen hämisch. Sie wohnen einer makaberen Machtdemonstration der Gestapo bei - der Abrechnung mit den Kölner "Edelweißpiraten": Sechs der Todeskandidaten gehören zu der Jugendgruppe. Alle sechs sind minderjährig; zwei von ihnen, Günter Schwarz und Bartholomäus Schink, genannt Barthel, gerade einmal 16 Jahre alt. (...)von Jens Scholz direct link 0 Kommentare
Nach schweren Misshandlungen in Gestapo-Haft wurden die 13 Männer und Jungen am 10. November 1944 zur öffentlichen Hinrichtung gekarrt. Ein Prozess hatte nicht stattgefunden. (...)
Dienstag, August 25, 2009
"Mit Bürgerrechten werden in Deutschland keine Wahlen gewonnen."
ist laut Handelsblatt der Grund dafür, daß die etablierten Parteien keine Angst vor den Piraten haben müssen.
Ähnliches lese, sehe und höre ich in letzter Zeit häufiger und abgesehen davon, daß dieses Mantra der nicht Ernst zu nehmenden Eintagsfliegenpartei, die zu wenige Themen für die breite Masse bedient, Raubkopien legalisieren will und mit Herrn Tauss ein mindestens zweifelhaftes Mitglied in ihren Reihen hat für mich den Eindruck eines ganzen Pfeifkonzertes im Walde macht haben sowohl die anderen Parteien als auch die Medien immer noch nicht begriffen, was eigentlich so wichtig an den Piraten ist und was ihnen wichtig ist.
Nur soviel: Es geht nicht darum, eine Wahl zu "gewinnen". Die Piraten sind schon längst an einem Punkt angekommen, an dem sie die Wahl gar nicht mehr "verlieren" können. Die Wahl ist nur ein Termin, der den Piraten Aufmerksamkeit verschafft. Diese Aufmerksamkeit kommt ihrer Mitgliederzahl und ihren Themen zugute: Bürgerrechte, Demokratie, Teilhabe jedes Einzelnen am Ganzen.
Also, lieben Medien und anderen Parteien: Bitte schön laut weiterpfeifen, der Wald ist doch so gruselig.Labels: piraten, politik, wahlen
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Sonntag, Juli 26, 2009
Netzpolitik ist kein Randthema
Günter Hack hat für den ORF den Artikel "Fünf Irrtümer über die Piratenpartei" geschrieben. Allerdings ist er nicht deswegen lesenswert, weil er mit ein paar Vorurteilen gegen die Piraten aufräumt. Er gehört mit zum besten, was ich in diesen Wochen über den Stellenwert, die Inhalte und die Problemfelder der Netzpolitik gelesen habe, die in einfachen und verständlichen Worten erklärt werden.
Nahezu jeder Absatz ist zitierenswert, wie zum Beispiel diese Begründung dafür, warum ich am Freitag Herrn Dörmann gesagt habe, daß ich diesen ganzen Blödsinn langsam nicht mehr hören kann, weil man nur noch das Gefühl hat, man wird für völlig bescheuert gehalten:Bei der Diskussion über das Netzsperrengesetz in Deutschland hat sich beispielhaft gezeigt, dass Menschen, die es gewohnt sind, mit Computern und Code umzugehen, mit symbolischer Politik nicht zufriedenzustellen sind. Im Netz schafft der Code die Wirklichkeit, und wenn in ihm ein Zeichen nicht stimmt, dann funktioniert er nicht. Es ist daher nicht besonders klug, einer Klientel, die unter diesen Bedingungen lebt und arbeitet, einreden zu wollen, dass Stoppschilder im Internet etwas gegen Kinderpornografie ausrichten können. Es ist noch weniger intelligent, dieser Klientel mit Umfragen und Statistiken begegnen zu wollen, die diese mittels ihrer Kompetenz im Umgang mit informationstechnischen Systemen innerhalb weniger Sekunden demontieren kann. Und es muss Menschen, die es gewohnt sind, ihre eigenen Systeme zu administrieren, zynisch vorkommen, wenn eine Regierung eine zentral verwaltete geheime Sperrliste von Internet-Adressen ausgerechnet unter dem Vorwand der Kinderpornobekämpfung durchsetzt.Labels: netzpolitik, piraten, zensursula
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Samstag, Juni 20, 2009
Der Freiheitskämpfer im Ausland ist der Terrorist im Inland
Ich habe mich zum Thema Iran zurückgehalten. Mit Absicht, denn so einfach, wie es sich manche machen, ist es nicht: Moussavi ist beileibe kein heldenhafter Reformpolitiker, der im Handstreich ein repressives Regime in eine leuchtende westlich Demokratie verwandeln will. In diesem Fall wäre er vom den Iran in Wirklichkeit führenden - und von Moussavi keineswegs in Zweifel gezogene - Wächterrat gar nicht erst zur Kandidatur zugelassen worden.
Dennoch: Die Wahl scheint recht offensichtlich gefälscht zu sein, dazu braucht man kein Sherlock zu sein. Und daß dort unten ein an der Macht hängender Präsident mit seinem Staatsapparat gerade jede Menge Unrecht am iranischen Volk begeht ist inzwischen auch offensichtlich.
Ein Schlüsselkanal, um Informationen aus dem Land und in die Welt zu bekommen ist natürlich auch wieder einmal aufs Neue das Internet, das sich inzwischen als ein zuverlässiges Medium etabliert hat, um Ausgangssperren für Journalisten, Zensur und scharfe Grenzkontrollen zu umgehen, mit denen ein Regime noch in für mich erinnerbarer Zeit relativ gut verhindern konnte, daß die Welt erfährt, was eigentlich in genau diesem Moment passiert.
Politiker und Journalisten sind sich gleichermaßen einig, daß es mutige Menschen sind, die es seit Tagen schaffen, Bilder und Filmmaterial übers Internet aus dem Land zu schaffen. Sie sind sich einig, daß es großartig ist, wie die Netzgemeinde auf der ganzen Welt durch ununterbrochenes Bereitstellen von z.B. ständig wechselnden Proxy- und TOR-Servern die Kanäle offenhalten, die die für Iranischen Menschen lebensnotwendig sind, um der Welt zu zeigen, was im Land gerade passiert. Auch ich bin momentan daran beteiligt, die Finanzierung für zwei neue TOR-Server zu sichern, die ein befreundeter Provider und Netzaktivist kostenlos betreuen wird, so lange es nötig ist. Unter anderem auch deswegen bin ich heute etwas zu spät in Düsseldorf bei der Demo gegen Netzsperren aufgetaucht.
Und hier kommen wir doch endlich auch mal zum Thema Es geht gar nicht um ein paar DNS-Sperren. Es geht auch nicht um Kinderpornografie und um angeblich rechtsfreie Räume für ein paar Musikdownloads oder einen Filmstream, den ich mir im Kino ohnehin nie angesehen hätte. Es geht um die Angst eines Staates vor Kontrollverlust. So sehr unsere Politiker über die Findigkeit und Kreativität jubeln, mit der im Moment iranischen Menschen geholfen wird, auf ihre Situation aufmerksam zu machen so sehr werden sie auch daran erinnert, daß die selbe Transparenz ihnen hier ihr schönes System aus sorgfältig und teuer aufgebauten Lobbysatelliten (wie z.B. die Deutsche Kinderhilfe) ans Licht zerrt. Daß ihnen ihre manipulativen Umfragen, mit denen Sie Jahrzehnte lang mit ihrem repräsentativen und unabhängigen Anstrich den Schein erweckten, die Wähler seien mit ihrer Arbeit einverstanden, nun die Ohren fliegen, weil sie schon am selben Tag im Netz komplett durchanalysiert und entlarvt werden.
Und sie wehren sich dagegen mit den Mitteln die alle ängstliche Menschen einsetzen: Mit Verboten, mit Repressionen, mit wüsten Verunglimpfungen.
Deswegen wundert mich nicht, was Fiete Stegers als "Schizophren" betitelt:Leicht schizophren ist aber wieder das Echo dieser medialen Proteste in Deutschland. Wenn im Iran oder anderen autoritären Staaten Netz-Schreiber gegängelt werden, werden sie regelmäßig in Medien, von Journalisten-Organisationen und Politikern als Internet-Dissidenten oder Online-Journalisten bezeichnet. Und werden gefeiert.Dabei geht es gar nicht nur um Blogger. Die Medien und Politiker sehen in den Menschen hiter der Pirate Bay nur Raubkopierer und Urheberrechtsbrecher. Wie passt in dieses Bild, daß genau diese leute diejenigen sind, die mit Anonymous Iran eine der wichtigsten Koordinationspunkte für den freien Informationsfluss aus dem Iran stellen? Während Regierungen über Resolutionen brüten und in Protestnoten Pressefreiheit verlangen (natürlich vergeblich, wozu wurde denn die Pressefreiheit im Iran wohl abgeschafft)?
Deutsche Blogger werden dagegen immer noch häufig belächelt, für belanglos erklärt oder als gestörte Internet-Freaks behandelt. Bürgerjournalisten werden als Gefahr für die Medienqualität abgestempelt.
Die Leute, die da gerade für ihr Engagement bejubelt werden weil es für sie eine völlige Selbstverständlichkeit ist, die Informationsfreiheit dort zu ermöglichen, wo sie staatlich beschnitten und unterdrückt wird, die Leute werden hier von unserem Wirtschaftsminister als Pädokriminelle bezeichnet, das sind "diese... Internetcommunitybenutzer", das sind diese amokgefährdeten Killerspieler, das sind diese Schäubleschen "Störer" (deren TOR-Server Anlass für Hausdurchsuchungen sind) und die Leute, die meinen, auch Bombenbauanleitungen sind relevante Informationen weil die Welt nunmal nicht nur aus schönen Blümelein besteht. Das sind diese Star Trek zitierenden pickeligen Nerds, die komisch riechen und trotzdem plötzlich eine Partei mit einem lächerlichen Namen gründen und unsere Verfassung beim Wort nehmen. Das sind diese Hacker, die auch mal die Seite eines Hinterzimmervereines defacen, weil das immer noch ehrlicher ist, als auch nur ein einziges Wort ihres populistischen Chefideologen.
Und nun ist da plötzlich normales Volk, sind es z. B. 40-jährige Familienväter wie ich, die sich mit dem, was diese Menschen da machen, solidarisieren. Davor kann man schon mal Angst bekommen als "Volks"partei.Labels: iranelection, piraten, zensur
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