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Samstag, April 25, 2009

Warum es um Zensur geht
Da reiben sich gerade so viele die Hände, daß man eigentlich ein beständiges Rauschen hören müsste. Die Idee, das Thema Kinderpornografie als Popanz vorzuschicken, um das nun geplante Internet-Zensursystem einzuführen war aber auch wirklich eine richtig gute. Hat das ja zuvor mit den Themen Terrorismus und Internet-Kriminalität nicht wirklich hingehauen, kann man hier spitzenmäßig mit dem Holzhammer wedeln und Kritiker einfachst diffamieren, indem man die eigentliche Kritik ignoriert und ihnen vorwirft, sie wollten die Verbreitung von Kinderpornografie schützen. Wie schnell schon der Vorwurf zum beruflichen und gesellschaftlichen Tod führen kann, zeigte man nur wenige Wochen zuvor ja schonmal anschaulich am Exempel Tauss (der übrigens natürlich nicht im Netz "erwischt" wurde, sondern über Handykontakte und DVDs per Post).
Aber ich schweife schon wieder - wie es durch die Wahl dieses Themas ja auch gewünscht ist - ab.
Denn das Problem, das die Kritiker haben, ist ja natürlich nicht, daß man den Zugang zu Kinderpornografie sperren will, sondern das Sperrinstrumentarium, das man dazu baut. Schaut man sich das an, merkt man schnell: Es geht nicht um Kinderpornos und wie man dagegen vorgeht. Ging es nie.
Es geht um die Installation eines generellen technischen Systems und die generelle Art und Weise, wie es betrieben wird: Es geht darum, daß eine waschechte, diesen Namen zu Recht tragende, Zensur ermöglicht wird. Auch wenn die zunächst gesperrten Websites tatsächlich nur Kinderpornografie beinhalten (was die Liste eigentlich extrem kurz halten müsste) wäre sowohl die Technik, die Verwaltung und sogar die Psychologie installiert, um sofort eine effektive Zensur betreiben zu können.

Technik
Die Provider sollen ihre Nameserver so umbauen, daß Webseiten, die das BKA aussucht und ihnen nennt, nicht erreichbar sind und dem Nutzer bei Aufruf stattdessen eine Sperrseite angezeigt wird. Gleichzeitig soll das BKA jederzeit abrufen könne, welche Nutzer auf Webseiten aus dieser Liste zugreifen wollten und stattdessen auf die Sperrseite geleitet wurden.
Ein normaler Internetnutzer, der seinen Nameserver nicht auf einen freien DNS-Server umstellt, sieht bestimmte Seiten nicht und erhält die Mitteilung, er wolle sich gerade Kinderpornografie ansehen. Ob das stimmt, weiß er nicht und nachprüfen darf er das auch nicht, da ja schon die Suche nach Kinderpornografie strafbar ist. Der Nutzer muss sich in diesem Moment weiterhin im Klaren sein, daß er gerade etwas getan hat, was das BKA als illegal ansieht und als Grund ansehen kann, gegen ihn vorzugehen.
Die allein schon technisch verursachten Risiken für jeden Internetnutzer sind immens, noch dazu, weil man damit auch noch eine perfide Beweisumkehr eingebaut hat: Sie müssen künftig ihre Unschuld beweisen, z.B. daß sie "versehentlich" die gesperrte Seite angesteuert haben. Viel Spaß beim Versuch, Richtern TinyUrls, iFrames, Rootkitangriffe, Hidden Scripting und so weiter zu erklären, wenn Sie überhaupt wissen, was das ist.
Die Lösung zunächst: Den Nameserver umstellen, um sich dieser Gefahr vollständig zu entziehen. Geht schnell und kann jeder.
Die Technik ist allerdings interessanterweise das kleinste Problem in dieser ganzen Geschichte. Es gibt Staaten, die in ihren Zensurbemühungen schon wesentlich weiter sind. Die Menschen dort können dennoch sowohl anonym als auch unzensiert das Internet benutzen. Das Internet ist von Nerds gebaut worden. Ein Staat kann da so viel fordern wie er will, er wird das Netz auf technischer Ebene never ever kontrollieren können.

Verwaltung
Hier liegen die springende Punkte, die das Ganze zum Zensurinstrument machen:
1. Die gesperrten Inhalte stehen auf einer Liste, die das BKA direkt und ohne Prüfungsinstanz erstellt und die die Provider möglichst ohne sie anzuschauen zu installieren haben. Es entscheidet kein Richter über den Inhalt, es überprüft keine unabhängige Institution über die Rechtmäßigkeit, es gibt keine Regelung, wie Adressen überhaupt wieder von der Liste gelöscht werden könnten. Die Polizei, die Verbrecher verfolgt, bestimmt, welcher Wunsch nach welcher Information ein Verbrechen ist. Vorab zu definieren, was ein Verbrechen ist und hinterher darüber zu entscheiden, ob ein Verbrechen begangen wurde ist aber nicht Aufgabe der Polizei.
2. Die Liste ist geheim. So lange diese Liste nicht in die Öffentlichkeit gerät kann alles drinstehen und nichts davon muss gerechtfertigt werden. Wer das in Frage stellt wird zum Verdächtigen. Wie Zensur in Reinform eben funktioniert.
3. Der Gesetzentwurf ist schwammig genug, daß das BKA im Prinzip alles in die Liste setzen kann. Da im Web jeder Inhalt nur einen Klick weiter vom letzten entfernt ist und das Gesetz möchte, daß auch "mittelbare" Seiten gesperrt werden können, kann somit de facto auch jede Seite gesperrt werden.
4. Das System soll die direkte Verfolgung von Zugriffen erlauben. es wird nicht nur gesperrt, sondern es kann auch nachgeschaut werden, wer sich die gesperrten Seiten ansehen will. Dies kann dann Anlass für verdeckte Überwachungen, Hausdurchsuchungen und andere existenzbedrohende Vorgänge sein.
Die Staatsanwälte dieses Landes üben ja seit einiger Zeit kräftig an der Vorverurteilungsfront, indem Sie inzwischen gerne mal Pressemitteilungen über eingeleitete Verfahren rausgeben und die Presse direkt zu möglichst spektakulär und öffentlichkeitswirksam inszenierten Verhaftungen mitnehmen (Zumwinkel, Tauss, Frau B.).

Psychologie
Womit wir schon beim gewünschten Effekt von Zensur sind: Die Einführung der Schere im Kopf. Die wirksame Selbstzensur, weil man nicht weiß, was eventuell passiert, wenn man zu laut und deutlich Kritik äußert. Die Geheimhaltung der Sperrliste und ihre völlige Unverbindlichkeit durch das Fehlen jeglicher Kontolle ist ein bewußt eingesetzes Instrument, um Verunsicherung zu erzeugen.
Ein anderes ist die Verknüpfung mit dem Thema Kinderpornografie, womit wir wieder am Beginn dieses Artikels wären. Man weiß ja inzwischen, daß auch nur der leiseste Ruch, man könnte eventuell irgendwas mit Kindesmissbrauch und Pädophilen zu tun haben, die Existenz vernichten kann, selbst wenn hinterher rauskommt, daß tatsächlich nichts an den Vorwürfen dran war. Wie nahezu generell nichts rauskommt. Das ist ein so extrem starkes und wirksames Druckmittel, was natürlich beispielsweise ein Herr Gorny sofort erkennt, weil sein Versuch, diese Schere im Kopf einzuführen (durch den Versuch, Filesharing als schreckliches Verbrechen zu diskriminieren), wirkungslos blieb und er sich nun an den besser funktionierenden Trigger dranhängt (indem er Urheberrechtsverletzung mit Kindesmissbrauch gleichsetzt).
Die Justizministerin gibt dann noch Tipps in die richtigen Richtungen, die natürlich prompt reagieren. Überhaupt, das mal ganz nebenbei, finde ich es immer wieder seltsam, daß Frau Zypries immer wieder als Warnerin vermittelt wird. Dabei war - so sagt sie zumindest - sie es, die den Gesetzentwurf gegenüber dem Vorabvertrag von Frau von der Leyen verschärfen ließ und dieser nun schon den Zugriff auf Stopp-Seiten verfolgen lassen will.

Um die Frage zu beantworten, warum und wann es in einer Gesellschaft überhaupt dazu kommen kann, daß ein Teil davon meint, einen solchen Eingriff vornehmen zu müssen und der andere Teil (zu dem ich u.a. mich zähle) darin ein so massives Unrecht sieht, das es zu bekämpfen gilt, kann man sich bitte den Artikel "Kampf der Kulturen" drüben bei netzpolitik.org durchlesen.

Den Artikel komplett copy/pasten, ganz egal wo wiederveröffentlichen, per Mail verschicken oder in Foren posten ist ausdrücklich erlaubt (Bitte mich aber als Autor nennen. Ein Link hierher wär zwar lieb, muss aber nicht.)

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von Jens Scholz   direct link      65 Kommentare
 

Donnerstag, November 06, 2008

Meanwhile bei uns zu Hause...
nutzt man mal wieder einen Termin, an dem wir grade mal alle woanders hinschauen, um der Angst des Staates vor seinen Bürgern ein hübsches neues Gesetz darzubringen:
Die präventiven Befugnisse der Wiesbadener Polizeibehörde zur Terrorabwehr werden demnach stark ausgebaut. Neben Kompetenzen etwa zur bundesweiten Rasterfahndung, zur "vorsorglichen" Telekommunikationsüberwachung nebst dem Abhören von Internet-Telefonie direkt vor oder nach einer Verschlüsselung, zur Abfrage von Verbindungs- und Standortdaten oder zum Einsatz des großen Lausch- und Spähangriffs mit Mini-Kameras und Mikrofonen enthält das umfangreiche Vorhaben auch die Lizenz für heimliche Online-Durchsuchungen. (...)

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von Jens Scholz   direct link      1 Kommentare
 

Mittwoch, November 21, 2007

Nichts außer Kontrolle
Es ist immer so ein wenig wie Eulen nach Athen tragen, wenn man Spreeblick verlinkt. Es ist ja eher wahrscheinlich, daß ihr Artikel, den ich dort gut finde und zu dessen Verbreitung ich gerne beitragen möchte, sowieso schon gelesen habt. Trotzdem, diesen Absatz möchte ich mal rausnehmen und dazu animieren, auch den Text davor und danach zu lesen:
(...) Kein biometrischer Pass kann einen selbstmordbereiten Attentäter von seiner Tat abhalten. Kein Musik-Verbot wird einem desillusionierten Jugendlichen Perspektive schenken. Keine Bürgerüberwachung wird deren Vertrauen in den Rechtsstaat stärken. Kein auch nur halbwegs Technik-erfahrener Mensch wird Reglementierungen des Internets durch Politiker akzeptieren, die nicht wissen, was ein Browser ist, kein Schüler wird sich von Lehrern etwas über Videospiele erzählen lassen, die noch nie eine E-Mail verschickt haben. (...)

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von Jens Scholz   direct link      0 Kommentare
 

Montag, Juni 25, 2007

Der arte Themenabend Überwachung
war ja letztens. Wer ihn verpasst hat, findet inzwischen bei trust.us Zusammenfassungen der drei Reportagen und die kompletten Sendungen zum Download. Bitte hier entlang.
(via np.org)

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Dienstag, Juni 19, 2007

Fernsehtipp
heute abend Themenabend (kick in Badesalz-Assoziation: "Mir mache en Deemeabend, wie bei adde!" - "Ei und welches Deema?" - Ei, figge!" - "Figge?" - "Ei jo, komm ich auch") auf arte:
Wir werden alle überwacht.
(via rushme)

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von Jens Scholz   direct link      2 Kommentare
 

Mittwoch, April 25, 2007

Bestätigung meiner These
Wenn Beckstein sagt:
"Ich fürchte, dass wir uns mit der SPD erst nach einem hoffentlich nie kommenden Terroranschlag einigen können. Wenn es dazu kommt, werden wir in jedem Falle auch eine Diskussion über die Mitschuld bekommen."
Die SPD müsste sich in einem solchen Fall die Frage stellen, "warum sie nicht alles zur Terrorabwehr unternommen hat"
dann bestätigt er mir meine Theorie, wieso Politiker immer Sicherheit über Freiheit stellen werden.
Natürlich ist es auch möglich, seine letzte Frage, die er wahrscheinlich nur rethorisch stellt, weil er meint, es gäbe ja ohnehin nur eine Antwort, souverän zu beantworten. Man könnte sagen, daß es keine hundertprozentige Sicherheit vor Terroranschlägen gibt, es sei denn, man wird selbst extrem und verwandelt den Staat in ein totalitäres System. Man könnte sagen, man hat alles unternommen, was möglich ist, ohne die Freiheiten des Bürgers zu beschränken. Man könnte sagen, der Sinn von Terroranschlägen ist die Schwächung des Systems und die Schwäche und Angst zeigt sich durch die Einschränkung der Bürgerrechte - ergo ist die richtige Reaktion auf Terror, die Freiheit zu verteidigen, nicht sie einzuschränken.
Ich will Politiker, die bei Terrorangriffen sagen: "Wir wollen freie Bürger, kein Terrorist wird uns dazu bringen, ängstliche, repressive Politik zu machen".
Becksteins Worte zeigen aber nur pure Angst, für die ich ihn auch tatsächlich nur verachten kann. Denn er sagt ja selbst, daß er nicht etwa Angst um uns Bürger hat, er hat Angst vor einer "Diskussion um Mitschuld". Und zeigt präventiv schon mit dem Finger auf Andere. Genauso funktioniert der Mechanismus, den ich beschrieben habe.

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von Jens Scholz   direct link      4 Kommentare
 

Wie Ahnungslos unsere Politiker sind
zeigt uns Herr Wiefelspütz heute mit folgender Äußerung:
In der hitzigen Debatte über die Sicherheits-Pläne von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat sich der SPD- Innenpolitiker Dieter Wiefelspütz klar für die umstrittenen Online-Durchsuchungen ausgesprochen (...). "Für mich ist klar, dass wir diese Ermittlungsmaßnahme brauchen. Ebenso klar ist aber, dass sie nur mit sehr hohen Hürden und in extremen Ausnahmefällen zum Einsatz kommen kann", sagte Wiefelspütz. Er rechne mit einer Größenordnung von etwa 10 bis 20 Fällen pro Jahr. (...)
So. Und das sagt mir, daß Herr Wiefelspütz entweder keine Ahnung hat oder unendlich naiv ist.
Keine Ahnung: Wenn er sich auch nur ein winziges bisschen mit der Nutzung von PCs auskennen würde, wüßte er, was das für ein riesiger, riesiger Unsinn es ist, für 10 bis 20 warum auch immer notwendigen geheime staatliche Zugriffe auf Online-PCs die Sicherheit von Millionen PCs in Deutschland zu kompromittieren. Ich gehe zusätzlich davon aus, daß auch mit einem irgendwie funktionierenden Trojaner (den ich technisch ohnehin als nicht umsetzbar sehe) beim größten Teil dieser 10-20 Durchsuchungen nichts herauskommen wird. Bei 10 bis 20 "Ausnahmefällen" (welche? Ach, gehen wir einfach mal davon aus, die gäbe es) würde ich sagen, daß man da mit direkten Hackerangriffen mehr Erfolg hat und billiger wärs auch noch. Insoweit wäre ein Bndestrojaner unter den Vorraussetzungen,wie sie Wiefelspütrz angibt, völlig unsinnig.
Naiv: Er glaubt tatsächlich, daß wenn man ein Instrument zur Verfügung hätte, mit dem man unbemerkt in die Rechner jedes Bürgers schauen kann, dieses nur 10 bis 20 Mal im Jahr benutzt werden würde? Wie viel Wert ist eine solche Ankündigung? Gar nichts.
Es könnte natürlich auch eine dritte Möglichkeit geben. Er hält uns für so naiv, ihm diesen Schmuh zu glauben.
Hierzu bitte auch lesen: Generation Web 0.0

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Freitag, April 20, 2007

How not to be seen
Auch wenn die Aufregung über die Kontrollwut unserer Regierung gerade - wohlgemerkt zu recht - kocht, wir können doch noch relativ unproblematisch vermeiden, zum berechenbaren Bürger zu werden und die Dinge, die wir Privat halten wollen, vom Blick der Kontrollfreaks da oben verbergen.
Natürlich fällt einem sofort auf, daß die ganzen besonders wertvollen Profil- und Bewegungsdaten nur durch die Nutzung von Medien und Kommunikations- und Zahlungshilfsmitteln erhoben werden können. Daher ist der erste logische Schritt, diese nicht mehr zu benutzen. Will ich aber wirklich auf Internet, Handy, Kreditkarte und Reisen verzichten? Nö. Muss man auch nicht, denn man kann das ja auch nutzen und damit Daten erzeugen. Massen an Daten. Mengen an richtigen, falschen, alten, unbrauchbaren Daten.
Auf diese Weise bin ich auch kein berechenbarer Konsument. Ich kaufe bei Amazon ein, aber eben lange nicht nur dort und ich bewerte gerne mal Produkte, die mich nicht die Bohne interessieren, mit 5 Sternen und Sachen, die mir gefallen mit einem.
Ich habe jede Menge Profile in jeder Menge Communities, viele mit echtem Namen, aber auch gerne mal einen zweiten mit anderem Namen, über den ich per Tor und Jap einen Teil der Kommunikation abwickle, dessen Fehlen durch die Menge der verfolgbaren Kommunikation nicht auffällt (Zu aufwändig? Warum? Ich mache mir ja auch den Aufwand, Briefe in verschlossenen Umschlägen zu versenden, wenn ich meine, daß meine private Post niemanden was angeht).
Ich habe viele Mailadressen, alleine drei davon ganz offen und auch bei Providern in Deutschland, wo diese meinen Mailverkehr ja speichern müssen. Die speichern damit aber auch einen Haufen Spam und riesen Mengen an Newslettern, die mich z.T. überhaupt nicht interessieren, ich abonniere halt anscheinend irre gerne Newsletter. Mindestens zwei der Adressen benutze ich ohnehin nur zum registrieren auf irgendwelchen Websites, wonach ich die Mailadresse dort nach erfolgter Bestätigung ändere. Mein Gmailkonto dagegen ist inzwischen dasjenige, das die meisten normale Konversation bewältigt und das ist so alt, daß es noch auf @gmail.com hört und nicht in Deutschland gespeichert wird - was gut daran liegen mag, daß ich mich beim Einrichten wohl verklickt habe und ich laut meinem Profil in Alaska lebe. Ich verklicke mich ja ständig beim Ausfüllen von Formularen. Ich mülle das Internet zu mit Informationen über mich, die stimmen können oder eben nicht. Die aber auch dafür sorgen, daß es echt schwierig ist, etwas über mich herauszufinden, was mir Schwierigkeiten machen könnte bzw. das nicht ich selbst dort reingeworfen habe. Das Profil, das man über mich ergooglen kann ist genau das, was ich in Ordnung finde, es ist nämlich sehr positiv für mich und schmeichelt mir auch immens.
So ähnlich mache ich das auch mit dem Telefon. Ich bekomme ja wie jeder auch irgendwelche Anrufe von Leuten, die mir was verkaufen wollen und ich achte durchaus darauf, daß die mich nicht etwa aus ihren Listen streichen. Ich halte schonmal eine Versicherunsvertreterin über Monate hin, sage Termine zu, die ich platzen lasse und gebe falsche Angaben darüber, wo ich wie lange versichert bin. Auch mit Telefonanbietern rede ich gerne mal. Regelmäßig ruft jemand an, der mir ein besseres Call-byCall Paket oder DSL verscherbeln möchte und glaubt, ich sei bei der Telekom. Weil ich das nie verneine. Allerdings glaubt der Anrufer der Telekom wiederum ich sei bei Iesy, der von Iesy dünkt mich bei Arcor. Ich lehne das Angebot auch immer freundlich ab, weil ich gerade erst gewechselt habe, demnächst umziehe oder völlig zufrieden mit ePlus bin (bei denen ich im Gegensatz zu vielen anderen Telcos noch nie Kunde war).
Das Problem an Profilen ist, daß sie nutzlos sind, wenn sie alte, falsche, widersprüchliche Daten haben oder wenn die Daten ohnehin schon öffentlich zu finden sind ("Wir wissen, wo Du wohnst" ist keine Drohung für mich. Jeder weiß wo ich wohne, ich hab ein ausführliches Impressum).

Es ist so einfach, nicht gesehen zu werden, wenn man vermeintlich wie ein rücksichtloser Eber durch den Wald rauscht. C&A-Klamotten, ne Schirmmütze gegen Kameras, Call by Call Handy, das z.B. per Tauschpool auf jemanden völlig anderen angemeldet ist, eine Fahrkarte bar bezahlt ohne Bahncard, nur persönliche Gespräche, Schriftliches nur auf Papier und alle Aufzeichnungen in den Vorratsdaten ist völlig vergebens: Wenn ich nicht will, daß der Staat präventiv in Erfahrung bringen kann, was ich tue und wo ich bin, kann er es auch in mittelfristiger Zukunft nicht.
Die vielkritisierten Onlinedurchsuchungen bringen auch nichts, denn um Trojanerangriffe grundsätzlich zu vermeiden, sollte man ohnehin seine wichtigen Daten auf einer externen Platte lagern und während man mit ihnen arbeitet nicht online sein. Wenn das dennoch nötig ist, hab ich den Laptop oder den Palm online, aber nicht den PC, der Zugriff auf die Dateien hat. Beste Sicherheit ist also heute immer noch ohne Spezialkenntnisse sondern mit normalem Menschenverstand möglich.
Klar, die Frage ist, wie lange noch: Schwierig wirds z.B. dann, wenn es um den Fingerabdruck und "freiwillige" Speichelproben geht. Daten also, die man nicht verwässern kann. Aber auch hier vertraue ich auf die Schnelligkeit der vernetzten Gesellschaft. Ich werde dann schon die Webseite finden, auf der steht, wie man sich auch hier seine Privatsphäre erhält.
Das hier jedenfalls ist meine Strategie. Eben aus dem Grund heraus, daß ich nicht verzichten will, meinen Namen sagen zu können und als ich selbst unterwegs zu sein. Meine Erfahrung ist, daß es viel anstrengender ist, keine Spuren zu hinterlassen als so viele, daß die, die ich Privat halten möchte, darin nicht mehr zu finden sind. Wie macht ihr das?

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von Jens Scholz   direct link      3 Kommentare
 

Donnerstag, April 19, 2007

Head spinning 'round
must. say. something. stupid:
Wäre es richtig zu sagen: Lieber lasse ich zehn Anschläge passieren, als dass ich jemanden, der vielleicht keinen Anschlag begehen will, daran zu hindern versuche. Nach meiner Auffassung wäre das falsch.
Ja, nun. Auch nach meiner Auffassung ist das falsch sowas zu sagen, denn der Satz macht überhaupt keinen Sinn. Allerdings sagt sowas auch keiner oder behauptet, sowas zu sagen sei richtig, außer Herr Schäuble selbst, der damit halt zeigt, daß er gar nicht versteht, wo die Gegner des Panopticons Deutschland, das er das aufbaut, um sein eigenes Terrortrauma zu verarbeiten, eigentlich ihr Problem mit ihm haben.
Ach so: Warum wird eigentlich ständig nach Frau Zypries gerufen? Die hat doch mit Bürgerrechten rein gar nichts am Hut. Das Abmahnrecht bleibt wie eh und je eine Einnahmequelle für Anwälte und Instrument zur Verhinderung von Meinungsfreiheit, die neuen Regelungen der Vorratsdatenspeicherung glaubt sie ja sogar "die Bürgerrechte zu stärken" (womit sie eine mindestens genauso blöde Newspeakformulierung hinlegt, wie Schäuble). Sie liegt mit Schäuble völlig auf gleicher Linie, wenn man sich ansieht, wohin auch Ihre Pläne zielen. was kann ich denn also von ihr erwarten? Nur, daß sie weiterhin geschickter kommuniziert als Schäuble, also einfach im Zweifelsfall das eine ankündigt und dann das andere umsetzt.
Letztendlich ist der Zug aber schon längst abgefahren. Spätestens mit der kommenden Volkszählung 2010 (die man klugerweise gleich mal ohne Beteiligung des Bürgers durchführt) wird man ohnehin so genaue Profile von uns erstellen, die dann mit den bis dahin durch die immer weiter aufgeweichte Trennung verfügbaren Daten der vielen verschiedenen anderen Sammelstellen (Meldeämter, Polizei, Staatsschutz, diverse europäische Behörden, Mautdaten, Vorratsdaten der Provider und TK-Anbieter,...) angereichert die gewünschte Dauerüberwachung ohne Wissen des Einzelnen erlauben werden.
Das jetzige, anscheinend kontraproduktiv verräterische Geplapper von Schäuble und Zypries gehört da dazu, denn das ganze Verfahren funktioniert ja nicht, wenn der Bürger nicht weiß, daß er potentiell ständig überwacht wird. Man bekommt das Volk nur sediert diszipliniert, wenn es sich der möglichen Überwachung bewusst ist und sich dadurch schon von ganz alleine präventiv in Selbstzensur übt.

Diesen Film (aus der Reihe Alltag Überwachung)sollte man sich echt mal ansehen. Auch das Thema Volkszählung taucht hier auf - etwas, was uns vor 20 Jahren sehr beschäftigt hat und was die Generation, die mit dem Internet aufwächst, unbedingt interessieren sollte.
Weitere Blogs, die sich mit unserem Herrn Reichsüberwachungsminister beschäftigen, hat unkreativ gesammelt.

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.. jens scholz ..

personal news in undefinierter dringlichkeit, wichtigkeit oder thematik .. ein subjektives log als experiment, wie lange dinge, die wichtig erscheinen, es in wirklichkeit bleiben ..


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