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Mittwoch, April 29, 2009

20 Jahre ohne Plan
Vor 20 Jahren hab ich Abi gemacht und dieses sehr verhasste Schulkorsett verlassen, das zuvor 15 Jahre lang mein Leben bestimmte. Ich war frei und fühlte mich auch so. Es war großartig, an einem Morgen aufzuwachen und zu denken: "Heute muss ich nicht in die Schule. Nein, einen Moment! Ich muss ab heute nie wieder in die Schule!"
Es gab Lehrer, die mir prophezeiten, daß ich die Schule vermissen würde. Wenn der "Ernst des Lebens" erstmal richtig hart zuschlägt. Wenn die Verantwortung für alles, was man tut, einen erdrückt. Wenn die Angst um Arbeitsplatz oder die nächste Mietzahlung oder das Wohl der Kinder oder was auch immer sonst so einem so an Sorgen machen kann einen nicht schlafen lassen würde.
Ich kann nicht behaupten, daß es all diese Dinge nie gegeben hat bzw. sogar gerade gibt. Aber ich kann behaupten, daß es auch nichts besseres gibt als das Gefühl, solche Schierigkeiten zu überwinden und daß all die Leute, die sich in die geregelte Einfachheit der Schule zurückwünschen da echt was verpassen. Ich vermisse die Schule kein bisschen. Vor 20 Jahren fing mein Leben an und ich dachte: Jawoll! Ein Plan wäre gut.
Also hab ich erst einmal Zivildienst gemacht, um in Ruhe überlegen zu können. Der Plan war dann auch schnell gefunden: Ich wollte Grafikdesign studieren und Comics zeichnen.
Der Plan schlug fehl, denn die FH in Mannheim hat mich abgelehnt. Da ich ja nur diesen Plan hatte, ergab sich plötzlich ein halbes Jahr Zeit, das ich dazu nutzte, um erst mal planlos in ein paar Jobs herumzustolpern. Der Fahrerjob war scheiße, der Job als Pfleger war dagegen prima. Und während dieser Zeit machte ich einen neuen Plan: Ich wollte Orientalistik studieren um dann in irgendeinem Beruf als Spezialist für Sprachen und Kultur des vorderen Orients einsteigen, der mir dann während des Studiums hoffentlich über den Weg laufen würde.
Der Plan schlug fehl. Ich habe zwar studiert und kam sogar dabei fast bis zum Magister, aber während des Studiums kam ein Kind und der Umzug der Fakultät aus Heidelberg just in dem Moment, als wir uns dort häuslich niedergelassen hatten. Machte aber nichts, ich hab einen neuen Plan gemacht: Da Astrid einen echten Beruf hatte und auch schon mitten in ihrem praktischen Jahr war, ich dafür mit dem Studium aussetze um fürs Kind da zu sein und dabei begann, mich mit dem Internet zu beschäftigen dachte ich, ich würde wohl vor allem zu Hause sein und höchstens nebenher etwas als Webdesigner arbeiten, vielleicht einen Verlag gründen und Astrid arbeitet Vollzeit in ihrem Beruf.
Der Plan schlug fehl, denn relativ schnell hatte sich das Thema Internet völlig verselbständigt und ich fand mich bei einem dieser völlig neuartigen "Internet Service Provider" wieder. Etwas was man nie hätte planen können, weil es eine solche Firma sechs Monate vorher noch gar nicht gegeben hat. Der nächste Plan war daher endlich mal ein realistischer, nämlich erst einmal keinen Plan mehr zu machen, weil eh alles anders kommt.
Dieser Plan schlug aber ebenfalls fehl. Nicht sofort, diese Internetsache war tatsächlich spannend, lukrativ und lehrreich. Aber irgendwann war ein zweites Kind unterwegs und die Internetfirma löste sich auf und das fast gleichzeitig. Die ein paar Jahre gut funktioniert habende Planlosigkeit führte zu einer ziemlichen Panik, jedoch fand ich am Ende doch sehr schnell einen wirklich guten Job und die schreckliche Zukunftsangst war am Ende doch nur eine Schrecksekunde. Aber ich wollte nun klarere Verhältnisse. Der neue Plan war daher, endlich ein Erwachsenenleben zu führen: Ein sicherer Job für mindestens die nächsten 20 Jahre, eine ordentliche Wohnung, ein geregeltes Familienleben. So ging ich wohlgemut ins Jahr 2000.
Dieser Plan nun schlug so dermaßen und epochal fehl wie kein anderer zuvor. Ich kanns ab hier auch kurz machen, denn als ich noch dachte, der Plan wäre gut und stimmig habe ich angefangen zu bloggen und die Irrungen und Wirrungen, die dafür sorgten, daß sich schon nach 3 Jahren die familiäre und nach weiteren 3 Jahren die berufliche Hälfte dieses total felsenfesten 20-Jahresplans atomisiert hatte kann man hier einigermaßen ordentlich dokumentiert nachlesen.
Die Trümmer sind inzwischen aufgeräumt, mein Job macht Spaß, mein Privatleben hat etwas Platz für meine Bedürfnisse und ich habe mich gut damit eingerichtet, gerade mal wieder nichts wirklich zu planen sondern nur mit genügend Interesse links und rechts und nach vorne zu schauen und gut aufzupassen, daß die Reise nirgends hingeht wo es mir nicht gefällt. Das macht eine angenehme Reisegeschwindigkeit und lässt auch genügend Optionen zum aus- oder umsteigen offen, falls mal was vorbeikommen sollte, womit ich mich mal näher beschäftigen möchte. Dafür, herauszufinden, wie ich heute am besten mein Leben leben kann, habe ich 20 Jahre gebraucht und viel falsch und einiges richtig machen müssen. Und das alles gemacht zu haben gefällt mir ungemein.
Allerdings denke ich manchmal, ich könnte mir ja doch demnächst mal einen neuen Plan machen.

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von Jens Scholz   direct link      5 Kommentare
 

Sonntag, April 26, 2009

@neues zum Thema Netzsperre und ein Chat mit TSG per Twitter
@neues hat ein Interview mit Johnny Häusler geführt. Normale, verständliche Worte für normale Menschen. Anschauen, mit Kollegen und Familie reden, Link verschicken, Politiker fragen, was daran eigentlich so schwer zu kapieren ist.

Letzteres hab ich heute übrigens getan. Per Twitter in Form einer kleinen Unterhaltung mit Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD):

jensscholz: @tsghessen Sagen se mal. Was sagen Sie denn eigentlich zu diesem Internetsperrgesetz? #zensursula

tsghessen: @jensscholz Kinderpornographie ist Gewalt gegen Kinder, deshalb ist die Intervention richtig.

jensscholz: @tsghessen Ich habe nicht gefragt, ob Sie dafür sind, Kinderpornografie zu bekämpfen. Dafür ist jeder. Ich fragte nach dem Sperrgesetz.

tsghessen: @jensscholz darum geht es aber! Dieses Gesetz kann sicher nicht als Angriff auf die informationelle Selbstbestimmung gesehen werden. Oder?

jensscholz: @tsghessen Naja, ich finde schon, daß es genau das ist. Und ein gegen KiPo völlig wirkungsloses Placebo noch dazu.
jensscholz: @tsghessen Was ist eine geheime BKA-Liste, Stop-Schilder, deren Rechtmäßigkeit man nicht nachprüfen darf und Tracking der DNSZugriffe sonst?
jensscholz: @tsghessen KiPo bekämpfen ist gut. Der eingeschlagene Weg ist aber leider der denkbar falscheste. Daher diese Verzweiflung der Netzgemeinde.
jensscholz: @tsghessen Danke Ihnen aber natürlich für die Antwort. Ich trink jetzt auch n Kaffee :)

@jensscholz Peinlich? melde ernsten Diskussionsbedarf an. Thema mal umfassend aufrufen. Bin auf die Vorschlaege gespannt. Chat oder so!

jensscholz: @tsghessen "peinlich" kam nicht von mir und läge mir auch fern. Würde mir nie aus 2x140 Zeichen ein Urteil erlauben. Darf ich ihnen aber...
jensscholz: ...noch einen Link ans herz legen?
http://www.jensscholz.com/2... Schönen Tag noch. #tsg

jensscholz: @tsghessen Diskussion per Chat oder Telefon gerne. Wann haben Sie die Woche mal Zeit? DM oder an js@jensscholz.com #tsg

tsghessen: @jensscholz Viel Debatte, akzeptieren dass ich vielleicht nicht alles sehe. Mach mich fitter und mach ein Debattenangebot. Einverstanden?

jensscholz: @tsghessen Gerne. Bin gespannt.

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von Jens Scholz   direct link      10 Kommentare
 

Samstag, April 25, 2009

Warum es um Zensur geht
Da reiben sich gerade so viele die Hände, daß man eigentlich ein beständiges Rauschen hören müsste. Die Idee, das Thema Kinderpornografie als Popanz vorzuschicken, um das nun geplante Internet-Zensursystem einzuführen war aber auch wirklich eine richtig gute. Hat das ja zuvor mit den Themen Terrorismus und Internet-Kriminalität nicht wirklich hingehauen, kann man hier spitzenmäßig mit dem Holzhammer wedeln und Kritiker einfachst diffamieren, indem man die eigentliche Kritik ignoriert und ihnen vorwirft, sie wollten die Verbreitung von Kinderpornografie schützen. Wie schnell schon der Vorwurf zum beruflichen und gesellschaftlichen Tod führen kann, zeigte man nur wenige Wochen zuvor ja schonmal anschaulich am Exempel Tauss (der übrigens natürlich nicht im Netz "erwischt" wurde, sondern über Handykontakte und DVDs per Post).
Aber ich schweife schon wieder - wie es durch die Wahl dieses Themas ja auch gewünscht ist - ab.
Denn das Problem, das die Kritiker haben, ist ja natürlich nicht, daß man den Zugang zu Kinderpornografie sperren will, sondern das Sperrinstrumentarium, das man dazu baut. Schaut man sich das an, merkt man schnell: Es geht nicht um Kinderpornos und wie man dagegen vorgeht. Ging es nie.
Es geht um die Installation eines generellen technischen Systems und die generelle Art und Weise, wie es betrieben wird: Es geht darum, daß eine waschechte, diesen Namen zu Recht tragende, Zensur ermöglicht wird. Auch wenn die zunächst gesperrten Websites tatsächlich nur Kinderpornografie beinhalten (was die Liste eigentlich extrem kurz halten müsste) wäre sowohl die Technik, die Verwaltung und sogar die Psychologie installiert, um sofort eine effektive Zensur betreiben zu können.

Technik
Die Provider sollen ihre Nameserver so umbauen, daß Webseiten, die das BKA aussucht und ihnen nennt, nicht erreichbar sind und dem Nutzer bei Aufruf stattdessen eine Sperrseite angezeigt wird. Gleichzeitig soll das BKA jederzeit abrufen könne, welche Nutzer auf Webseiten aus dieser Liste zugreifen wollten und stattdessen auf die Sperrseite geleitet wurden.
Ein normaler Internetnutzer, der seinen Nameserver nicht auf einen freien DNS-Server umstellt, sieht bestimmte Seiten nicht und erhält die Mitteilung, er wolle sich gerade Kinderpornografie ansehen. Ob das stimmt, weiß er nicht und nachprüfen darf er das auch nicht, da ja schon die Suche nach Kinderpornografie strafbar ist. Der Nutzer muss sich in diesem Moment weiterhin im Klaren sein, daß er gerade etwas getan hat, was das BKA als illegal ansieht und als Grund ansehen kann, gegen ihn vorzugehen.
Die allein schon technisch verursachten Risiken für jeden Internetnutzer sind immens, noch dazu, weil man damit auch noch eine perfide Beweisumkehr eingebaut hat: Sie müssen künftig ihre Unschuld beweisen, z.B. daß sie "versehentlich" die gesperrte Seite angesteuert haben. Viel Spaß beim Versuch, Richtern TinyUrls, iFrames, Rootkitangriffe, Hidden Scripting und so weiter zu erklären, wenn Sie überhaupt wissen, was das ist.
Die Lösung zunächst: Den Nameserver umstellen, um sich dieser Gefahr vollständig zu entziehen. Geht schnell und kann jeder.
Die Technik ist allerdings interessanterweise das kleinste Problem in dieser ganzen Geschichte. Es gibt Staaten, die in ihren Zensurbemühungen schon wesentlich weiter sind. Die Menschen dort können dennoch sowohl anonym als auch unzensiert das Internet benutzen. Das Internet ist von Nerds gebaut worden. Ein Staat kann da so viel fordern wie er will, er wird das Netz auf technischer Ebene never ever kontrollieren können.

Verwaltung
Hier liegen die springende Punkte, die das Ganze zum Zensurinstrument machen:
1. Die gesperrten Inhalte stehen auf einer Liste, die das BKA direkt und ohne Prüfungsinstanz erstellt und die die Provider möglichst ohne sie anzuschauen zu installieren haben. Es entscheidet kein Richter über den Inhalt, es überprüft keine unabhängige Institution über die Rechtmäßigkeit, es gibt keine Regelung, wie Adressen überhaupt wieder von der Liste gelöscht werden könnten. Die Polizei, die Verbrecher verfolgt, bestimmt, welcher Wunsch nach welcher Information ein Verbrechen ist. Vorab zu definieren, was ein Verbrechen ist und hinterher darüber zu entscheiden, ob ein Verbrechen begangen wurde ist aber nicht Aufgabe der Polizei.
2. Die Liste ist geheim. So lange diese Liste nicht in die Öffentlichkeit gerät kann alles drinstehen und nichts davon muss gerechtfertigt werden. Wer das in Frage stellt wird zum Verdächtigen. Wie Zensur in Reinform eben funktioniert.
3. Der Gesetzentwurf ist schwammig genug, daß das BKA im Prinzip alles in die Liste setzen kann. Da im Web jeder Inhalt nur einen Klick weiter vom letzten entfernt ist und das Gesetz möchte, daß auch "mittelbare" Seiten gesperrt werden können, kann somit de facto auch jede Seite gesperrt werden.
4. Das System soll die direkte Verfolgung von Zugriffen erlauben. es wird nicht nur gesperrt, sondern es kann auch nachgeschaut werden, wer sich die gesperrten Seiten ansehen will. Dies kann dann Anlass für verdeckte Überwachungen, Hausdurchsuchungen und andere existenzbedrohende Vorgänge sein.
Die Staatsanwälte dieses Landes üben ja seit einiger Zeit kräftig an der Vorverurteilungsfront, indem Sie inzwischen gerne mal Pressemitteilungen über eingeleitete Verfahren rausgeben und die Presse direkt zu möglichst spektakulär und öffentlichkeitswirksam inszenierten Verhaftungen mitnehmen (Zumwinkel, Tauss, Frau B.).

Psychologie
Womit wir schon beim gewünschten Effekt von Zensur sind: Die Einführung der Schere im Kopf. Die wirksame Selbstzensur, weil man nicht weiß, was eventuell passiert, wenn man zu laut und deutlich Kritik äußert. Die Geheimhaltung der Sperrliste und ihre völlige Unverbindlichkeit durch das Fehlen jeglicher Kontolle ist ein bewußt eingesetzes Instrument, um Verunsicherung zu erzeugen.
Ein anderes ist die Verknüpfung mit dem Thema Kinderpornografie, womit wir wieder am Beginn dieses Artikels wären. Man weiß ja inzwischen, daß auch nur der leiseste Ruch, man könnte eventuell irgendwas mit Kindesmissbrauch und Pädophilen zu tun haben, die Existenz vernichten kann, selbst wenn hinterher rauskommt, daß tatsächlich nichts an den Vorwürfen dran war. Wie nahezu generell nichts rauskommt. Das ist ein so extrem starkes und wirksames Druckmittel, was natürlich beispielsweise ein Herr Gorny sofort erkennt, weil sein Versuch, diese Schere im Kopf einzuführen (durch den Versuch, Filesharing als schreckliches Verbrechen zu diskriminieren), wirkungslos blieb und er sich nun an den besser funktionierenden Trigger dranhängt (indem er Urheberrechtsverletzung mit Kindesmissbrauch gleichsetzt).
Die Justizministerin gibt dann noch Tipps in die richtigen Richtungen, die natürlich prompt reagieren. Überhaupt, das mal ganz nebenbei, finde ich es immer wieder seltsam, daß Frau Zypries immer wieder als Warnerin vermittelt wird. Dabei war - so sagt sie zumindest - sie es, die den Gesetzentwurf gegenüber dem Vorabvertrag von Frau von der Leyen verschärfen ließ und dieser nun schon den Zugriff auf Stopp-Seiten verfolgen lassen will.

Um die Frage zu beantworten, warum und wann es in einer Gesellschaft überhaupt dazu kommen kann, daß ein Teil davon meint, einen solchen Eingriff vornehmen zu müssen und der andere Teil (zu dem ich u.a. mich zähle) darin ein so massives Unrecht sieht, das es zu bekämpfen gilt, kann man sich bitte den Artikel "Kampf der Kulturen" drüben bei netzpolitik.org durchlesen.

Den Artikel komplett copy/pasten, ganz egal wo wiederveröffentlichen, per Mail verschicken oder in Foren posten ist ausdrücklich erlaubt (Bitte mich aber als Autor nennen. Ein Link hierher wär zwar lieb, muss aber nicht.)

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Freitag, April 24, 2009

Hallo Volker Kauder, Dr. Peter Ramsauer und Fraktion Dr. Peter Struck und Fraktion
Wenn Sie so tolle Aufrufe gegen die Zensur des Internets im rückständigen Ausland veröffentlichen, müssen Sie schon besser aufpassen, daß sie niemand ein Jahr später mal dran erinnert, wenn die Vorwürfe gegen filternde Schurkenstaaten plötzlich auf das eigene Land zutreffen...

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Donnerstag, April 23, 2009

Stasi-Bahn
Wenn man denkt, viel schlimmer kanns eigentlich nicht mehr werden weils dann richtig kriminell und unappetitlich wird, dann kommt sowas:
Die Deutsche Bahn soll auch mit hochkriminellen Methoden gegen ihre Angestellten vorgegangen sein. Soll Dokumente gefälscht haben und sogar falsche "Beweise" wie Hitlers "Mein Kampf" oder Porno-Dateien auf Festplatten von Angestellten gespeichert haben, um diese besser kündigen zu können. (...)
Was für ein marodes, verkommenes und menschenverachtendes Wirtschaftssystem habt ihr euch da eigentlich zusammengezimmert in den letzten zwanzig Jahren?

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von Jens Scholz   direct link      9 Kommentare
 

Mittwoch, April 22, 2009

Der 22.4.2009 ist der Tag, an dem der Graubereich verlassen wurde
und in Deutschland der erste entscheidende Schritt unternommen wurde, um ein funktionierendes Zensursystem einzuführen.
Ich bin kein Freund von markigen Worten. Die werden mir zu schnell zu Phrasen und wirken zu gerne mal hysterisch. Aber heute ist tatsächlich ein merkenswerter Tag, denn wenn wir tatsächlich einmal vor der Situation stehen werden, daß uns jemand fragt "Habt ihr das wirklich nicht bemerkt?" müßten wir antworten "Doch, der erste Schritt war die Einführung von Zensur und die Aufhebung der Gewaltenteilung durch ein Gesetz, das Ende April 2009 vorgestellt wurde." Die Antwort auf die unweigerliche Folgefrage "Und was habt ihr dagegen getan?" würde ich gerne beantworten können ohne mich dabei schämen zu müssen. Am liebsten wäre mir, wenn ich antworten könnte "Verhindert, daß das Gesetz umgesetzt wurde."
Das Problem ist wie so oft nicht, daß Politiker böses im Sinn haben. Dieses Mal ist es eine Melange aus einer einerseits desinformierten Karrieristen-Seilschaft und der für rollende Politikerzüge typischen wirklichkeitsfernen Starrsinnigkeit, die jegliche Warnungen, Hinweise und Proteste ignoriert. Das zu wissen nutzt leider jedoch gar nichts, denn die Frage ist natürlich was passiert, wenn mal eine politische Kraft tatsächlich böses im Sinn hat und einen Staat in die Hände bekommt, der mit einem Zensursystem den Zugang zu Informationen "regulieren" kann, wie das ja jetzt schon z.B. Dieter Gorny gerne mal in feinstem Neusprech fordert.
Was also tun? Zuerst einmal natürlich dokumentieren. Etwas, was ja Dank des Internets sehr gut funktioniert und achon jetzt ist der Unterschied der Qualität der Argumentation so offensichtlich und (durchaus mit dem Bewusstsein, daß diese Wahrnehmung in der Breite der Bevölkerung sicher nicht so klar ist wie in unserer eigenen) wie sie es zu Zeiten von Flublättern und kritschen Zeitungen mit Mindestauflagen nie möglich gewesen wäre. Medien enehmen diese Dokumentation und Analysen auf, wenngleich man sich schon wundern muss, wie wenig Druck sie macht und ihren Selbstanspruch als "vierte Macht" mit unreflektierter Propagandaweitergabe (hier eine Antwort darauf) verspielt.
Dann muss man sicherlich in der persönlichen Nutzung des Internets reagieren: Schon allein weil man ja gar nicht weiß, was alles auf der Zensurliste landen wird und weil es durch die Meldung der Stopseiten-Aufrufe viel zu einfach ist, versehentlich verdächtig zu werden stellt man besser seinen Nameservereitrag auf einen freien DNS-Dienst um. Und auch unversierte Internetnutzer sollten versuchen, ihr technisches Verständnis ein wenig hochzurüsten und zu lernen, wie Proxys, Anonymisierungsdienste und Verschlüsselungen funktionieren und eingesetzt werden kann. Das Internet ist dazu gemacht, um selbst bei einem Atomkrieg Informationen von A nach B zu schaffen. In Ländern, die schon eine wesentlich üblere Zensurstruktur haben, weiß man auch, wie man diese umgehen kann. Es ist letzlich nicht möglich, hier wirklich mit Zensur Erfolg zu haben, da die technisch versierteren Menschen nicht an der Zensur arbeiten sondern gegen sie.
Drittens: Langfristig tätig werden. Vielleicht auch politisch tätig werden. Die Themen in den Meatspace tragen. Wer sich gestern fragte ob Internetproteste überhaupt etwas bringen (was im Grunde dieselbe Frage ist wie ob Demos etwas bringen) oder Diskussionen auf irgendwelchen Chatdiensten dem kann man antworten "Ja natürlich, wenn das nicht alles bleibt.". Die Piratenpartei hat gestern wahrscheinlich den größten Zulauf ihrer Geschichte bekommen (Auch ich werde mich jetzt übrigens um den Eintritt dort kümmern). Die Verdrossenheit weicht sichtbar einer qualitativen Politisierung schon alleine in meiner direkten Umgebung. Ich denke nicht, daß das eine Ausnahme ist.

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Dienstag, April 21, 2009

Äpfel mit Birnen vergleichen
kann man ja auch mal machen, um tatsächlich Unterschiede zu erkennen. Umair Haque macht einen ganz sicher nicht ganz unpolemischen und völlig oberflächlichen, aber genau dadurch doch sehr interessanten Vergleich zwischen Pirate Bay und den Bankern:
Set up a torrent tracker, get fined, go to jail.
Join a bank, destroy the economy, profit.
Let's draw out the distinction...
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Samstag, April 18, 2009

Ist es kriminell, Internetsperren zu umgehen?
Zumindest wird der Eindruck schon mal erweckt:
Das im Fachjargon "DNS-Sperre" genannte Verfahren kann den Zugang zu den verbotenen Webseiten allerdings nur erschweren; vollkommen verhindern kann es ihn nicht.
"(...) Wer etwas kriminelle Energie mitbringt, kann die Sperren leicht überwinden", sagt Christopher Wolf vom Horst-Görtz-Institut für ITSicherheit an der Ruhr-Universität in Bochum. Es gibt zahlreiche Möglichkeiten, um die Blockade zu umgehen: Kriminelle können etwa einfach zu einem der Anbieter wechseln, die bei der Sperrung nicht mitmachen. (...)
Jetzt bin ich schon bei einem Anbieter, der zumindest momentan nicht mitmacht (hier kann man sich informieren, welche Provider sperren und welche nicht). Ob er es tun wird bzw. wie er sich generell zu dem Thema verhält hab ich ihn gefragt mit dem Hintergrund, daß ich das wissen muss, um entscheiden zu können, ob ich bei ihm Kunde bleibe.
Heißt das, ich bin schon kriminell? Oder hab ich noch mal Glück gehabt, weil ich ja nicht gewechselt bin? Ist das Eintragen eines an und für sich ja völlig legalen freien Nameservers, weil man von vorneherein vermeiden will, bei eventuellen Fehleinträgen in dieser BKA-Sperrliste versehentlich in Schwierigkeiten zu geraten, eine Straftat? Oder wird es das irgendwann mal werden?
Das präventiv schon mal zu behaupten ist anscheinend ein bewährtes Mittel, um wirkungslose Maßnahmen zumindest bei Einzelnen durch reine Verunsicherung greifen zu lassen.

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Regierungssprecher Obermann
Der Focus meldet:
Das "Gesetz zur Bekämpfung der Kinderpornografie in Kommunikationsnetzen" wird kommende Woche im Kabinett behandelt. Es soll noch in dieser Legislaturperiode in Kraft treten, wie Telekom-Chef René Obermann erklärte. (...)
Morgen wird Deutsche Bank Chef Ackermann die Termine und Inhalte für die kommenden Haushaltsbeschlüsse mitteilen. Zuvor kündigte BMW-Vorstand Reithofer den Beschluss zum nächsten Unterstützungsfond für die Automobilindustrie für Ende des Monats an.
Oh, the humanity!

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Donnerstag, April 16, 2009

Weil sie Kinderpornografie nicht bekämpft!
Christian Bahls ist missbraucht worden. Er sagt: "Ursula von der Leyens Kampagne gegen Kinderpornografie nutzt nichts und macht mich erneut zum Opfer." - ein Interview im Tagesspiegel mit sehr klaren und einleuchtenden Erläuterungen, warum von der Leyens Internetsperren Missbrauchsopfer sauer machen:
Das ist Wut. Ich bin durch die aktuelle Diskussion aus meinem Trott gerissen und wieder damit konfrontiert worden. Das ist Ärger und der treibt mich an. Die Diskussion, wie sie gerade läuft, ist nicht hilfreich. Die ist schlimm für die Opfer, ihnen wird damit noch ein zweites Mal wehgetan. Ich fühle mich wieder zum Opfer gemacht. Ich fühle mich in der Debatte für ein politisches Ziel missbraucht.

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Mittwoch, April 15, 2009

Musikindustrie
ist für sich gesehen ja schon ein unsympathischer Begriff. Wie unsympathisch diese Industrie auch tatsächlich ist, zeigt sie uns ja seit einigen Jahren mit den Versuchen, ihren unvermeidlichen Niedergang aufzuhalten, indem sie das inzwischen offiziell gescheiterte DRM erfand und per Lobbyarbeit direkten Einfluss auf das generelle Internetverhalten der Menschen zu nehmen.
Ich glaube nicht, daß ich breit ausführen muss, warum ein Geschäftsmodell, das sehr gut funktionierte, da es darauf beruhte, Kopien von Musikdateien ein wenig günstiger herzustellen und zu verkaufen als dies dem Konsumenten gekostet hätte, heute nicht mehr funktioniert, weil besagte Erstellung und Kopie inzwischen für den Konsumenten billiger ist als die von der Musikindustrie angebotene Ware. Auch nicht nochmal erklären muss ich, warum Musiker keinen echten Vorteil davon haben, ihre Musik über die Musikindustrie vertreiben zu lassen.
Die Frage ist vielmehr, wie Musiker heute arbeiten sollen und wovon sie leben können. Die Antwort ist wohl grob leicht zu beantworten: Primär damit, daß sie Musik machen und das sowie das direkte Drumherum dieses Musik machens verkaufen und erst sekundär mit dem bisherigen primärem Verkauf von Kopien ihrer Musik.
Im Detail ist das allerdings tricky, da es noch zu wenig neue Ideen gibt, wie das denn stattfinden kann: Livemusiker habens da erst mal offensichtlicher, für sie heißt das erst einmal, sie müssen mehr Livemusik machen und versuchen, in diesem Umfeld weitere Produkte und Services anzubieten, sei es durch den direkt danach folgenden Verkauf von Konzertmitschnitten, Internetcommunities oder Exklusivangeboten, die natürlich nicht gleich die Dimensionen haben müssen, wie sie Josh Freese grade erfolgreich ausprobiert.
Was Studiomusiker machen können, weiß ich nicht so genau. Ich selbst spiele ja Keyboard, aber eben nicht live und meine Musik kann ich auch nicht aufführen. Aber ich denke, es wird über kurz oder lang andere und neue Möglichkeiten geben, viele Musiker müssen allerdings erst noch bemerken, daß der Verlust ihrer Abhängigkeit von der Musikindustrie ihnen in wirklichkeit neue Freiheiten gibt. Aber da die ersten ja schon feststellen, daß die Micromargen, die sie von ihrer Arbeit erhalten haben, in keinem Verhältnis zu dem stehen, was sie bekommen, wenn sie die Dinge selbst in die Hand nehmen, kann auch das nicht mehr allzu lange dauern...

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Ich habs mir eigentlich schon in Berlin gedacht
daß die re:publica mir auch nicht mehr Lust aufs bloggen machen würde. Und so ist es nun auch. Das schöne dort war das Zusammentreffen mit anderen Menschen. Das Quatschen und in der Sonne abhängen und die Abende gemütlich zu versumpfen.
Das schreiben selbst gerät dabei ins Hintertreffen gegenüber dem Leben: Ich hatte ja die vergangenen zwei Wochen frei, davon war ich einen Teil in Berlin, den Rest der Zeit bis Ostern hab ich mit den Kindern verbracht. Ich bin mit Lewin den Rhein runterspaziert, mit der Seilbahn gefahren, wieder hinaufspaziert, hab mit Joshua hinten in der Siedlung mit Freunden Ostern gefeiert und gegrillt. Wir waren im Kino und sind nach Altenberg zum Dom rausgefahren. Es gibt jede Menge Schulstress und andere Probleme, um die wir uns kümmern müssen. Ich habe darüber hinaus auch wieder ein richtiges Privatleben, das gerne auch mal sehr verwirrend ist - für mich dabei an anderen Stellen als für andere. aber das alles findet sich hier nicht wieder.
Ich arbeite momentan beruflich in einigen extrem interessanten Projekten, eigentlich wären die vor allem deswegen bloggenswert, weil wir genau die Dinge hinbekommen, die üblicherweise scheitern: Wie zum Beispiel eine riesige, über Jahre gewachsene und gewucherte Intranetlandschaft in den Griff zu bekommen oder eine echte, transparente Social Media Kultur mitsamt Netzwertools, Wikis und Blogs und allem anderen, was dazu gehört in einem Konzern zu entwickeln und einzuführen. Zumindest über ersteres werde ich demnächst wenigstens einen Vortrag halten, aber so sehr sich das eigentlich auch zum Bloggen anbietet und ich das schon allein aus Reputationsgründen tun müsste, würde ich darauf was geben: ich hab einfach grade echt keine Lust dazu.

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Freitag, April 10, 2009

Dann doch noch das re:publica-Video
Ja, ich bin echt nicht der Schnellste, tut mir wirklich Leid. Dennoch hab ichs heute endlich mal geschafft, das Video von der re:publica fertigzumachen und hochzuladen. Es ist fast kein WLAN-Witz drin und wer die letzten paar Tage einigermaßen die Blogs gelesen hat, weiß eigentlich schon alles. Auch egal, hier isses nun:

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Dienstag, April 07, 2009

Neues Spielzeug HDR
Probiere grade mit HDR-Images rum. Nach langem hin und her habe ich endlich ein erstes brauchbares Ergebnis:

Eva in Endzeitstimmung

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Bloggen ist
wenn ich nicht erst dürfen muss, um zu können, sondern kann, ohne fragen zu müssen.

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Montag, April 06, 2009

He, Jugendamt Dortmund! Seid ihr wirklich so verdammt Dumm?
Und zwar so, daß es wehtut. Und nochmal wehtut. Und man sich an den Kopf fasst weil man es gar nicht aushält, nicht zu wissen, wo man anfangen soll, das alles nur noch strunzdblöde, bescheuert, bekloppt und schreiend blöd zu finden:
Kinder von sieben bis zwölf Jahren sollten Handy, MP3-Player und Gameboy zu Hause lassen und in die Welt des Mittelalters eintauchen. Ein buntes Treiben in altertümlichen Gewändern war geplant, ein so genanntes LARP.
(...)
"Weg vom Computer, raus in die Natur", hieß in Hombruch die Devise. Pädagogische Ziele: die Entwicklung von Kreativität und Gemeinschaftssinn. Stilecht - mit edlen Rittern, fiesen Schurken, Magiern, Waldwesen und schönen Prinzessinnen. Ein Hauch von König Artus: Rustikales Lagerfeuer-Ambiente, samt Bogenschießen und Schwertkampf, letzterer mit Schaumstoffwaffen.
(...)
"Nach dem Amoklauf von Winnenden", so Fachbereichsleiterin Elisabeth Hoppe, "muss das Konzept noch einmal auf den Prüfstand". (...) Ihre Bedenken gehen "in Richtung Gewaltprävention". Das Konzept müsse überarbeitet werden. "Den Schwertkampf müssen wir noch mal unter die Lupe nehmen."
Wo anfangen? Daß der Großteil der LARP-Szene Pädagogen und Erzieher sind und damit offensichtlich wissen, was sie tun? Daß "Gewaltprävention" in fast allen erfolgreichen Programmen vor allem darin besteht, Konflikte zu üben? Was ist denn das für eine Jugendamtsleitung, die keinen Schimmer von ihrem Metier hat? Wo muss man denn hier anfangen, bei Adam und Eva? Wie fern kann man denn der Realität von Jugendlichen und Kindern noch sein? Wie fern allen pädagogischen Konzepten, die Kids für Zusammenarbeit, Körperlichkeit und Gewalt- und Konfliktarbeit sensibilisieren können? Was für eine völlig bescheuerte, mit ernsthaften Argumenten ja gar nicht beantwortbare Argumentation ist denn dieser Winnenden-Scheiß?
Oder worum geht es hier eigentlich wirklich? Wäre nicht das erste Mal, daß Programme sterben, weil sie zu beliebt sind oder nicht die richtige Partei oder sonstige Lobby (z.B. der richtige Christliche Verband) dahinter steht und die billigste Ausrede jetzt einfach ausreicht.

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re:publica 09

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Samstag, April 04, 2009

re:publica Tag 3
Nachdem ich ja den zweiten Tag ab Mittag Programm habe Programm sein lassen war ich heute wieder etwas disziplinierter. Tatsächlich so sehr, daß ich das gesamte Vormittagsprogramm im Friedrichsstadtpalast mitbekommen habe und recht viel vom Nachmittag. Qualitativ ist das denn auch belohnt worden.
Jan Schmidt erläuterte die Art und Weise wie sich seiner Meinung nach der Mensch, wenn er seine Persönlichkeit im Netz darstellt, gegenüber dem klassischen Rollenmodell (z.B. mit der genauen Abgrenzung zwischen privat und beruflichem Auftreten) umorganisiert hat, wie sich die Rollen dort nicht mehr richtig trennscharf unterscheiden lassen und wie wenig die bestehenden Communities sich noch auf die eigentlich notwendigen Differenzierungen eingestellt haben, wenn z.B. das Rechtemanagement was wer sehen oder nicht sehen darf so grob ist, daß man eine wirklich adäquate Graduierung seiner Onlinekontakte gar nicht managen kann.
Jimmy Wales Auftritt war dananchleider etwas ambivalent. Einerseits redete er ohne Frage gut. Aber über den Inhalt des größten Teiles seines Vortrages wunderten wir uns doch nicht wenig, denn er erklärte 30 Minuten lang Wikipedia. Wir fragten uns da schon, wie unbedarft er wohl diese Konferenz angegangen sein mag. Oder ob er uns vielleicht gleich auch noch erklären will, warum Ein- und Ausatmen eine tolle Sache ist. Die Infos über sein kommerzielles Wikiprojekt waren dann aber ganz ok und er nahm sich am Ende auch wirklich Zeit, die Fragen ausführlich und kompetent zu beantworten.
Wirklich beeindruckt hat mich dann aber Esra'a al Shafei aus Bahrain, die über die politischen Aktivitäten im nahen Osten referierte, die im Netz organisiert werden und stattfinden. Mit einer unglaublichen Energie (und dem schnellsten englisch des Tages - nicht mal Corey Doctorow konnte das toppen) erzählte sie, wie sie und andere - wie sie übrigens klarstellte tatsächlich größtenteils muslimischen - Netzaktivisten sich mit unglaublichem Erfolg für die Beachtung der Rechte von Dissidenten, politischen Gefangenen (der Blogger Kareem in Ägypten) und religiösen Minderheiten (z.B. die Baha'i im Iran) stark machen. Abgesehen von den offensichtlichen Themen machte sie mir persönlich dabei auch klar, daß wir hier in Deutschland nicht wirklich vor dem Ende der Demokratie und Freiheit stehen, sollten die alten Männer und komischen Frauen in unserer Regierung ihre Gatekeeper-Attitüden so weiterbetreiben wie bisher. In Ländern, in denen es diesbezüglich noch wesentlich düsterer aussieht, werden dann eben die entsprechenden technischen Strukturen im Untergrund aufgebaut, die eben doch anonymes Surfen und Verbreitung von Informationen erlaubt.
Sie saß danach auch gleich noch im Panel über den politischen Aktivismus in Ost und West, was dieses Panel zum besten der gesamten Tagung machte. Was bislang zwar auch nicht snderlich schwer gewesen ist, aber auch bei besserer Konkurrenz hätte es fraglos gewonnen, schon alleine durch ihre pragmatische Erläuterung, daß es für sie befremdlich ist, daß es Leute gibt, die sich angesichts der vielen direkt vorhandenen Probleme von unterdrückten und in ihrem Leben gefährdeten Menschen um solche Themen wie das Klima oder das Wetter sorgen. Nicht daß ich meine, daß sie Recht damit hat, aber es zeigt vielleicht ein wenig, daß unsere Prioritäten nicht unbedingt generell die aller Menschen auf der Welt sein müssen.
Das nächste Highlight war danach Corey Doctorow, der sicherlich nicht wirklich ganz neue Dinge erzählte, als er in einem brillianten Vortrag auf die verschiedenen Eigenschaften und Implikationen des Medienshifts einging. Ein Zitat über "Collaboration" werde ich dabei auch direkt mal für mein momentanes berufliches Hauptprojekt nutzen, in dem es darum geht, eine Anleitung für die Nutzung von Social Media in einem Konzern zu schreiben.
Am Nachmittag hörte ich mir an, wie der Blickwinkel der Soziologen so aussieht, was im erstem Moment etwas verkopft rüberkam, sich aber durchaus lohnte, wenn man sein Hirn halt mal wieder für die Entschlüsselung von akademischen Gedankengängen öffnete. Ein weiteres Panel über Politikblogs war dann eher konfus und wahrscheinlich für das avisierte Themenfeld schlicht viel zu kurz. Mir gefiel daran aber persönlich der erfrischende Pragmatismus von Kai Biermann, der "Bestätige-mich-doch-bitte"-Fragen durchaus auch folgerichtig nur mal mit "Ja" beantwortete.
Der Abend war dann feucht-fröhlich und unerwart lang (nochmals Sorry, Roland. Ich hoffe, ich darf euch nächstes Mal dennoch wieder heimsuchen), was drei Gründe hatte:
Erstens: Freie Getränke (für mich vor allem Wodka-Orange) beim Abschlussumtrunk von newthinking und bei Saschas spitzen #followerparty.
Zwotens: Daß man mit Caro und ihrer Freundin ganz großartig um die Häuser ziehen kann.
Drittens: Hab ich vergessen (Diese frühlingshaft milde Nacht vielleicht).

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von Jens Scholz   direct link      0 Kommentare
 

Freitag, April 03, 2009

re:publica Tag 2
Gammel. Gammel, Gammel. Okay, anfangs nicht, Peter Schaar war extrem gut vorbereitet und das heutige Highlight. Auch die Vorstellung der drei Privacy OS Themen war teilweise ganz gelungen (Die Verquickung von Spiel und Information ist ein Thema, mit dem ich mich grade ohnehin privat beschäftige, so wie mit den Netiquetten für Social Media beruflich).
Der seltsame Videoreporter/Redakteur/Dingsbums war das Highlight in Sachen wie mans nicht macht und so waren Mittags alle Preise vergeben und die Lust auf weiteres Programm vergangen. Machte aber nichts, stattdessen war ich mit Felix lecker essen und gammelte mit Don und Nilz den Nachmittag - immer mal nebenbei auf der Suche nach ein paar Minuten funktionierendem Internet - am Altherrentisch und lästerten herum besprachen die Weltpolitik.
Nachdem gestern der "Shift" in den Vorträgen zwar zum Teil zähneknirschend erkannt, aber nicht wirklich Perspektiven eröffnet wurden, hatte ich heute nachmittag genau darauf keine Lust, zumindest waren nach dem, was ich von anderen hörte, die Vorträge von Peter Glaser und Lawrence Lessing richtig gut. Ein wenig mitbekommen hatte ich das Jugend-Panel: Das war offenbar für einige Zuhörer tatsächlich richtig informativ (für mich nicht so, ich hab ja Kinder).
Die wenige Lust am Programm lag bei mir vielleicht an den Nachwirkungen der Party - wobei mir lieber gewesen wäre wenn Fettes Brot gesungen statt für ne Art Ü30-Party aufgelegt hätten - und der angenehmen Gesellschaft, aber morgen kommt Cory Doctorow und den lass ich mir auf gar keinen Fall entgehen.
Der Vollständigkeit halber: Die Twitterlesung war lustig, auch wenn ich es etwas befremdlich finde, daß die Vortragenden sich ausgiebig ihre eigenen Tweets vorlasen, die bei weitem nicht so sehr die lustigsten sind, daß es das nötig machen würde. Ach so, und ich kann weder bestätigen noch dementieren, daß oder ob René sich heute die Hände gewaschen hat.

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von Jens Scholz   direct link      0 Kommentare
 

Donnerstag, April 02, 2009

re:publica Tag 1
Die Panels waren erstaunlich langweilig, was meiner Meinung nach vor allem daran lag, daß man um etwas Diskussion auf die Bühne zu bringen zwar Leute gefunden hatte, die die Vergangenheit verklärten und andere, die damit dagegen hielten, die Gegenwart gut finden konnten, aber die vergessen hat, die die Ideen für die Zukunft oder mögliche Lösungen präsentieren konnten. Egal bei welchem Panel: Die Frage wohin die Reise geht wurde immer mit "ach, das weiß ich auch nicht, aber ich hoffe es wird irgendwie so un so werden.". Dabei gibt es die Leute, die sich mit genau diesen Fragen beschäftigen und darüber forschen und das vorbereiten, was in zwei Jahren passieren wird. So hörten wir am Ende doch nur das, was wir schon wissen.
Dagegen war der Vortrag von John Kelly über die verschiedenen Blogosphären der Welt hochinteressant, wenngleich er vor der Präsentation der Deutschen Themenwolke nochmal jemanden nach der korrekten Bezeichnung der Unterthemen hätte fragen sollen. Ich denke nicht, daß linke, regierungs- und gesellschaftkritische Blogs mit "Anti-Deutsch" richtig gelabelt sind. Es machte nicht viel aus, weil hier soweit alle den Transfer selbst schaffen, aber ich kann mir auch vorstellen, was eine konservative Presse daraus machen kann.
Auch sehr prima war der Vortrag von moot über 4chan, vor allem wegen des erfrischenden, demonstrativen, absoluten nicht Vorhandenseins von Wertung. Anonymität gibt es bei 4chan deshalb, damit jeder Scheiße bauen kann wie er will. Wenn die Community dann sagt "Was für ein Scheiß!" trifft das nur den Content, nicht den Ersteller. Überhaupt fand ich den Pragmatismus und die Attitüde, die hinter seiner Motivation "Ich dachte, ich hätte gerne ne Website, wo ich anonym Bilder hochladen kann" steht, bezeichnend. Sie erklärt eigentlich vollständig, wann Internetservices funktionieren und wann nicht: Sie funktionieren, wenn sie ein Bedürfnis befriedigen. Deswegen ist Twitter ausreichend, denn das Bedürfnis danach, schnell Bescheid zu geben, was einem grade durch den Kopf geht ist erfüllt. Alle Kopien wie identi.ca und das upcoming Facebook, egal wie viele Sidefeatures und Bequemlichkeiten da noch drangeflanscht werden, werden nie diesen Erfolg haben, denn, das generelle Bedürfnis ist ja durch Twitter schon gestillt. Ebenso geht es bei Flickr vs. egal welche Fotocommunity oder Youtube gegen egal welcher Video-Community. Und so weiter.
(Oh,mein Gott! Muss schnell machen, grade hab ich mal Netz!!!)
Die Party am Abend gefiel mir sehr, weil überhaupt sich dort die Stärke der Veranstaltung gezeigt hat: Man lernt interessante Menschen kennen und trifft Menschen wieder, die man lange nicht gesehen hat. Die Mischung aus Familiengefühl und spannend Neuem stimmt hier geradezu perfekt. Für mich jedenfalls. Ich bin jedenfalls nun sehr gespannt darauf, wen ich heute kennenlernen werde und hoffe, daß die Konferenz auch inhaltlich etwas ergiebiger wird, zwei Tage Zeit dafür hat sie ja noch.
Was sie auch noch hat ist die Chance, eine funktionierende Internetverbindung hinzubekommen. Ich hab nix gegen langsam, aber daß das so ein Komplettfail ist und schlicht absolut gar nicht hinhaut ist wirklich schrecklich nervig.

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von Jens Scholz   direct link      2 Kommentare
 
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